Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)
Mensch, ratlos. Ich strich ihm über die Pausbacke und redete ihm zu wie einem Kind: »Bleibt hier. Helft, wo Ihr könnt. Vielleicht kann sie noch gerettet werden. Ich muss dafür sorgen, dass heute Nacht nicht noch jemand stirbt.«
Ich eilte zu Kiggs hinaus. Er saß auf einem Sofa, hatte die Ellbogen auf die Knie gestützt und die Hände vor den Mund gepresst. Seine Augen waren riesengroß. »Kiggs!« Er sah nicht auf. Ich kniete mich vor ihn hin. »Steht auf. Es ist noch nicht vorüber.« Er sah mich mit leerem Blick an. Ich gab meinem inneren Drang nach und berührte sein wirres Haar. »Wo ist Selda? Wo ist Eure Großmutter? Wir müssen dafür sorgen, dass sie in Sicherheit sind.«
Das wirkte. Er sprang auf und wir eilten im Laufschritt zu ihren Gemächern, aber weder die Königin noch die Prinzessin lagen in ihrem Bett und schliefen. »Glisselda wollte mit ihrer Großmutter sprechen«, sagte Kiggs. »Vermutlich sind sie beisammen. Im Studierzimmer der Königin oder …« Er zuckte die Schultern. Ich wollte schon losrennen, aber er holte eine Laterne, nahm meinen Arm und führte mich durch eine versteckte Tür im Schlafzimmer der Königin in einen geheimen Gang.
Der Durchlass war schmal, deshalb ging ich hinter Kiggs. Als ich das Schweigen nicht länger ertrug, fragte ich ihn: »Habt Ihr gehört, dass Eure Tante Graf Apsigs Namen nannte?«
Er nickte. »Es liegt auf der Hand, was sie damit gemeint hat.«
»Dass Josef ihr den Wein gegeben hat? War er nur für den Ardmagar bestimmt oder …«
»Für beide, nehme ich an.« Er drehte sich nach mir um, sein Gesicht war im Dunkeln kaum zu erkennen. »Tante Dionne sollte sich mit Comonot in der Kathedrale treffen.«
»Aber Thomas kann mich unmöglich mit ihr verwechselt haben.«
»Ich könnte mir vorstellen, dass er dich erkannt und im selben Augenblick beschlossen hat, stattdessen dich zu töten. Denk daran, du hast Josef in der Nähe des Tatorts gesehen.«
»Ihr habt es damals für einen Zufall gehalten.«
»Ja, bis sein Name gerade eben wieder ins Spiel kam«, schrie er unerwartet laut und verriet damit, wie sehr ihm die Anspannung des heutigen Abends zu schaffen machte.
Durch eine weitere Geheimtür betraten wir das Zimmer der Königin, fanden es aber leer vor. Kiggs fluchte.
»Wir sollten uns aufteilen«, schlug ich vor. »Ich suche im Großen Saal.«
Er nickte. »Ich werde die Garde losschicken. Wir müssen sie aufspüren, egal wo sie sind.«
Noch während ich in Richtung Saal lief, rief ich in meinen Gedanken Abdo. Abdo, geh zu Lars und warte mit ihm bei der Bühne auf mich. Weißt du, wo Dame Okra ist?
Abdo antwortete, dass die Botschafterin am Tisch mit den Nachspeisen stünde, und machte sich sofort auf die Suche nach Lars. Ich rief Lars in meinen Gedanken und ließ ihn wissen, dass Abdo zu ihm unterwegs war.
Ich überlegte, ob ich mein Versprechen brechen und mit Dame Okra in Verbindung treten sollte. Aber sie war auch so schon unleidlich genug und ich brauchte dringend ihre Hilfe. Ihr ganz besonderes Talent war unsere einzige Chance, und man konnte nur hoffen, dass diese Gabe sie jetzt nicht im Stich ließ. Als ich den Großen Saal betrat, war sie genau dort, wo Abdo es gesagt hatte, und führte gerade ein lebhaftes Gespräch mit Fulda, dem menschenscheuen Botschafter der Drachen. Ich lief an den herumwirbelnden Paaren vorbei und bewunderte im Stillen alle, die in diesen frühen Morgenstunden immer noch die Kraft hatten, eine Volta zu tanzen. Ich stellte mich neben Dame Okra und sagte: »Verzeiht, Botschafter Fulda, aber ich muss Euch Dame Okra für einen Augenblick entführen. Ich fürchte, es ist dringend.«
Meine Höflichkeit galt mehr ihr als ihm. Sie machte ein bedeutungsvolles Gesicht, reckte sich – wodurch sie allerdings auch nicht sehr viel größer wirkte – und sagte: »Ihr habt es gehört, Fulda. Fort mich Euch.«
Botschafter Fulda musterte mich mit funkelnden Augen. »Du bist also Maid Dombegh. Ich bin entzückt, doch noch deine Bekanntschaft zu machen.«
Verwundert fragte ich mich, was er wohl über mich gehört haben mochte.
»Oh, pfui!«, rief Dame Okra und schlug nach ihm. »Sie ist auch nichts Besseres als ich, und Ihr kennt mich jetzt schon seit Jahren. Komm, Serafina!« Sie griff meinen Arm und zerrte mich fort. »Also gut, was willst du?«, fragte sie, als wir schließlich allein in einer Ecke standen.
Ich holte tief Luft. »Wir müssen die Königin und Glisselda suchen.«
»Heißt das, sie sind nicht in ihren
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