Sex and Crime auf Königsthronen
sterbliche Madensack, der Kaiser, der seines Lebens nicht einen Augenblick sicher ist, sich unverschämt rühmet, er sei der wahre, oberste Beschirmer des christlichen Glaubens.«
Karl zürnt erst per Testament zurück: »Ich irrte, als ich damals den Luther nicht umbrachte … und so wuchs dieser Irrtum ins Ungeheure, das hätte ich verhindern können.«
Schluss mit Luther, Calvin und Co., lautet darum Philipps Devise. Vor allem in seinen Niederlanden, die ein wahres Ketzernest und ein Zentrum des modernen Buchdrucks sind. Nirgendwo sonst in Europa werden so viele häretische Schriften gedruckt. Das will Philipp ändern. Koste es, was es wolle: »Bevor ich zulasse, dass der Religion oder dem Dienst an Gott der kleinste Schaden zugefügt wird, möchte ich lieber alle meine Länder verlieren und hundert Leben.«
Neben einer religiösen Mission hat der Vater Philipp allerdings auch Millionenschulden hinterlassen. Darum sollen die reichen Niederländer Philipps internationalen Kampf gegen die Ketzer, auch gegen die in den eigenen Reihen, mitfinanzieren. Das findet das Volk recht dreist. Noch dreister finden die niederländischen Adligen, dass Philipp ihnen jegliches Mitspracherecht darüber nehmen will, wo das schöne Geld hinfließt.
Statt die Ständeversammlung aus Adel, Klerus und Bürgern – genannt Generalstaaten – über die Geldmittel für den Landesherrn mitentscheiden zu lassen, plant Philipp, eine direkte Besteuerung einzuführen. Die Niederlande sollen ein Einheitsstaat unter spanischer Führung werden.
Auch die Vergabe von Bischofssitzen will Philipp allein bestimmen, womit er dem heimischen Adel ein wichtiges Mittel zur Versorgung der Verwandtschaft entziehen will. Endgültig empört ist Niederlandes Adel, als Philipp 1559 bei einer Stippvisite in Brüssel ankündigt, er werde von nun an nur noch von Madrid aus regieren. Seine Granden und Verwalter sollen – statt Niederlandes Hochadel – seine absolutistischen Pläne verwirklichen. Eine spanische Elitetruppe von 3000 Soldaten hinterlässt der König ebenfalls im Land. Bislang hat allein der heimische Hochadel militärisch die vordersten Posten besetzt.
Ein stehendes Fremdheer riecht nach dem Beginn einer spanischen Militärdiktatur. Tatsächlich möchte Philipp II. die Privilegien des niederländischen Adels ein für alle Mal brechen. Die Niederlande sollen zu einem Stützpunkt und zum Finanzier der spanischen Monarchie werden.
Kaum ist Philipp Richtung Iberien verschwunden, formiert sich eine Adelsopposition. Der Vorzeigevasall Wilhelm von Oranien macht mit und wird bald zur Seele der Bewegung. Heimlich sucht er nach Bündnispartnern. Er streckt die Fühler nach Frankreichs Hugenotten und ins protestantische England aus. Nebenher sucht der Prinz Allianzen im Ehebett.
Ab Herbst 1559 beginnt der 27-Jährige unter Einsatz seiner sämtlichen Talente um die vierzehnjährige Protestantin Anna von Sachsen zu werben. Ihn locken 100.000 Taler Mitgift und protestantische Truppenkontingente.
Wie schon Kaiser Karl weiß auch Wilhelm, dass Deutschlands lutherische Reichsfürsten im Kampf gegen die katholische Superdynastie Habsburg herzhaft zuschlagen können. Seine Werbung um die Kurfürstentochter Anna ist ein Affront in Richtung Philipp. Und der will die Heirat seines Vasallen mit einer lutherischen Deutschen verbieten. Aus religiösen Gründen, heißt es offiziell.
Woraufhin Wilhelm von Oranien in einem Brief nach Spanien ebenso offiziell beteuert: »Es gibt nichts, was mir so sehr am Herzen liegt, wie unsere wahre Religion, darauf kann sich Eure Majestät ganz und gar verlassen. Daher bitte ich Eure Majestät, diese Verbindung gutzuheißen und zu glauben, dass ich hierin wie in allen anderen Stücken nur die Ehre Gottes und den Dienst (an) Eurer Majestät suche.«
Das ist gleich mehrfach geflunkert und eine Kostprobe dafür, wie beredt und geschmeidig der »Schweiger« lügen kann. Im Dienste seiner Karriere und des Hauses Nassau. Das Ganze nennt sich hohe Politik und Geheimdiplomatie. Beides hat er bei Philipps inzwischen verstorbenem Papa gelernt, und es ist übliches Tagesgeschäft.
Während der Prinz dem König heilige Eide auf seine Papsttreue schwört, lässt er seinem Bruder Ludwig in Dresden (mündlich) versichern, dass er dem Protestantismus zwar nur heimlich, aber umso herzlicher zugeneigt sei.
Für Braut Anna sichert der Prinz die Anstellung eines lutherischen Hofpredigers zu, gemeinsame Kinder sollen protestantisch getauft werden. Da
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