Sex and Crime auf Königsthronen
Katharinas Schoße.« Schnitt.
Um kurz noch einmal auf verworrene Verwandtschaftsverhältnisse zu kommen: Owen Tudor ist väterlicherseits der Urgroßvater von Heinrich VIII. Sein Henker ist Edward, die Sonne von York, und wird – auch wenn er das jetzt noch nicht wissen kann – später als Opa mütterlicherseits in die Ahnentafel von Heinrich VIII. eingehen. Auch für Könige gilt also: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich. Und für Heinrich VIII.: Besser ich habe das Beil in der Hand als im eigenen Nacken. Verwandtenmorde sind schon vor seiner Zeit eine Königsdisziplin, und Mitgefühl ist für Memmen.
Denken Sie bitte daran, bevor Sie demnächst an Ihrer Kaffeetafel mal wieder einen Familienkrach um das Erbe und um Omas Blechlöffel vom Zaun brechen, und machen Sie es anders. Familienkriege weiten sich gern generationsübergreifend aus.
Immerhin war Opa Tudors Kampfeinsatz nicht ganz umsonst. Nach zehn weiteren Kriegsjahren lichten sich anno 1471 die Reihen der reinblütigen Lancasters – die sein Bastard-Enkelchen im Falle eines Falles eventuell vielleicht beerben könnte – beachtlich.
Die Lancaster-Queen Margarete von Anjou hatte es sich auf dem Thron gerade einmal wieder gemütlich gemacht, da schubsen die Yorks sie im April 1471 unter Führung von Sonnenschein Edward York, dem Mörder von Opa Tudor, wieder herunter.
Heinrich VI. muss oder darf zurück in den Tower, zum Gedichteschreiben. Die leider keiner liest. Nicht einmal sein einziger, kostbarer Sohn, der im Mai des Jahres 1471 sechzehn ist und auch endlich den Kriegshelden spielen und Rache nehmen will. Prompt wird er, der letzte (mutmaßlich) reinblütige Lancaster, vom ältesten Sohn des Herzogs von York – dem Sonnenschein – erschlagen. Wirklich fies. Immerhin haben die beiden Prinzen sooo viel miteinander gemein. Neben dem Thronanspruch etwa die Vornamen. Beide heißen Edward.
Der York Edward setzt sich nach dem Mord am Namensvetter aus dem Hause Lancaster die Krone auf den Kopf und schreibt eine royale lateinische IV. hinter seinen Namen. Fertig! Fertig? Von wegen. Er hat ja noch zwei Brüder. Und York-Edward ist keineswegs der größte Schurke unter ihnen. Der mittlere – genannt George und Herzog von Clarence – ist reicher als Edward und findet, dass er ein besserer König wäre. Darum behauptet er, dass Edwards Kinder Bastarde sind und dass er der echte Thronnachfolger sei. Dafür lässt Edward ihn 1478 köpfen. Herrscht jetzt endlich Ruhe im Karton?
Nein, denn es gibt ja noch den jüngsten Bruder. Richard genannt, nach seinem inzwischen erschlagenen Papa von York. Tut mir leid, aber Little Richard müssen wir jetzt noch kurz mitnehmen. Und ich bin mir sicher, dass Sie von diesem York-Spross schon gehört oder sogar etwas gesehen haben. Es handelt sich nämlich um Richard von Gloucester. Genau, um Richard III., schlagen Sie bei Bedarf nach bei Shakespeare. (Noch besser: Lauschen Sie der fantastischen Nacherzählung des Dramas von Urs Widmer mit dem Hörbuch: »Shakespeares Geschichten – die Königsdramen«. Das geht auch beim Bügeln.)
Zurück zu den mörderischen Yorks. Der kleine Richard ist lange der Liebling seines großen Bruders Edward. Treu wie Gold, folgsam wie ein Schoßhündchen und heimtückisch wie alle Yorks.
Während sein siegreicher Bruder und König Edward anno 1471 in der Kathedrale von Tewkesbury noch einige Dutzend flüchtige und schwer verletzte Lancaster-Offiziere abkehlt, bis die Kirche im Blut schwimmt und neu geweiht werden muss, schleicht Brüderchen Richard in den Tower.
Der damals Zwanzigjährige trägt keinen Dolch, aber einen stumpfen, schweren Gegenstand im Gewande. Jetzt, da der große Bruder dem letzten Lancaster-Prinzen den Garaus gemacht hat, will Richard den letzten Lancaster-König unschädlich machen.
Nehmen wir also an dieser Stelle Abschied von unserem irren, dichtenden, seelisch und mental überforderten Heinrich VI. Seine letzte Stunde hat geschlagen. Der 49-jährige On-Off-Monarch verbringt sie – wie sonst? – betend im Tower. Und hat diesmal hoffentlich wirklich nichts mitgekriegt von dem, was hinter seinem Rücken geschieht.
Kurz nach Mitternacht saust der erwähnte stumpfe Gegenstand auf ihn nieder und spaltet ihm den Schädel, während er vor einem Altar kniet. Mutmaßlicher Täter ist Richard. Edward, sein großer Bruder und neuer König, ist stolz auf ihn.
Der feige Meuchelmord an dem seit Jahren geistig abwesenden Heinrich VI. wird nicht Richards letzte Schandtat
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