Sex and Crime auf Königsthronen
dem Hause York aufs Haupt. Der von einem anonymen Lanzenträger aufgespießte Richard wird entkleidet, sein nackter Leichnam kastriert und – so die Legende – in einem Wirtshaus von Leicester ausgestellt. Hernach wird der York-König sicherheitshalber noch mal gehängt und weiter zerstückelt, bevor das, was übrig ist, in einem Franziskanerkloster bestattet wird.
Wer seinen Feind so gründlich tötet, entmannt und entehrt, ist sich seiner Sache meist nicht ganz sicher. Und diese Zweifel am eigenen Thronrecht wird Heinrich VII. an alle seine Nachfahren vererben, darunter an seinen Sohn Heinrich VIII. Der soll, als er später die Klöster auflösen und plündern lässt, befohlen haben, die Reste von Richard III. in den Fluss Soare zu entsorgen.
Wie sein Papa betreibt der Sohnemann in jüngeren Jahren außerdem in Rom die Heiligsprechung des irren Heinrich von Lancaster. Ein echter Märtyrer unter den Vorfahren stünde den siegreichen Rosenkriegern gut an und würde einige Lancaster-Bluttaten als Krieg für einen christlichen Helden heiligen.
Nein, so zynisch werden die Tudors das nicht gedacht haben. Die Sache ist weit bedenklicher: Sie haben sich das geglaubt. Um es noch deutlicher zu sagen: Wie die meisten Ritter und Monarchen des Mittelalters haben die Tudors nicht mit schlechtem, sondern mit gutem Gewissen gemordet und im Namen des Herrn gemeuchelt.
Die Tudors – Englands Neu-Rosen auf dem Thron
Gewissen hin oder her, was alle kommenden Tudors plagen wird, ist eine Aufsteigerneurose. Sie fürchten die Leichen im eigenen Familienkeller, verwischen ihre halbseidene Herkunft. Sie lassen eine neue, juwelenbestückte Angeber-Krone schmieden, raffen aus Angst vor dem Abstieg und vor Feinden mit schamloser Gier ein Vermögen zusammen, misstrauen ihren Höflingen fast krankhaft, neigen zur Selbstvergötterung oder übertreiben es in Sachen royales Auftreten und Prachtentfaltung. Heinrich VIII. und seine Tochter Elisabeth I. sind Paradebeispiele für diese seelischen Übersprungshandlungen.
Doch nun zu etwas erfreulicheren Themen. Um den Frieden wasserdicht zu machen, heiratet Heinrich Tudor, der siebte, am 18. Januar 1486 in Westminster Abbey eine York-Prinzessin aus reinem Königsgeblüt. Elisabeth von York ist die Schwester der im Tower ermordeten kleinen Prinzen. Schon Richard der III. wollte diese Elisabeth – seine Nichte also – heiraten, um sich königlicher zu machen.
Sie ist eine ziemlich gute Partie für König Heinrich, den Ahnen eines Bastardgeschlechts. Wie Elisabeth die Sache sieht, ist weitgehend unbekannt und uninteressant. Für Prinzessinnen ist es nun mal eher die Regel als die Ausnahme, dass sie sich mit einem ehemaligen Feind und Verwandtenmörder ins Bett begeben. Darum gab es in der Vergangenheit ja auch so viele Französinnen auf Englands Thron. Das eheliche Himmelbett ist Politinstrument, kein Liebeslager.
Die Verbindung York-Tudor soll dafür sorgen, dass sich in den Adern der zu erwartenden Kinder das Blut der Yorks und des Lancaster-Bastards vermischt.
Symbol der friedensbildenden Maßnahme per Ehe wird eine zweifarbige rot-weiße Rose. Die Tudor-Rose wird künftig Gebetbücher, Wappen, Flaggen, diverses Mobiliar und Königsgeschirr bis hinunter zum Nachttopf schmücken. Als sündteures, blattvergoldetes und versilbertes Zuckerwerk wird man die Tudor-Rose ausländischen Diplomaten und Staatsgästen bei Banketten servieren. Ganz Europa wird an der neuen Dynastie zu kauen bekommen.
Schließ die Augen und denk an England
Diesen berühmten Beischlaf-Befehl soll Queen Victoria ihren Töchtern im 19. Jahrhundert anstelle von Aufklärungsunterricht erteilt haben. Die zwanzigjährige Elisabeth von York muss ihn – auch wenn die technischen Notwendigkeiten der Fortpflanzung damals allgemein bekannt waren – 1486 in vorauseilendem Gehorsam befolgt haben.
Heinrich VII. hat sich jedenfalls unmittelbar nach – oder gar vor – der Eheschließung an die Fortpflanzung der Tudor-Dynastie gemacht. Acht Monate nach der Hochzeit in Westminster kommt der erste Spross der rot-weißen Rosenfamilie zur Welt. Die Eltern nennen ihn zur Abwechslung Prinz Arthur. Das ist neutraler als der Lancaster-Name Heinrich oder der bei den Yorks beliebte Richard. Baby Arthur soll an den mythischen König Artus mit seiner runden Rittertafel erinnern. Darum taucht er übrigens auch unter den diversen Zweitnamen des derzeitigen Prinz Charles Philip Arthur George Mountbatten-Windsor von Wales auf.
1489 bringt
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