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Sex and Crime auf Königsthronen

Titel: Sex and Crime auf Königsthronen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Werz
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Bihänder so geschickt wie den Degen, trifft als Bogenschütze regelmäßig ins Schwarze, lüftet aber nie das Visier. Natürlich wissen viele Höflinge, dass Heinrich mitkämpft, nur in welcher Rüstung, das weiß niemand so genau. Wie romantisch! Genau so steht es doch in vielen mittelalterlichen Aventiuren.
    Der junge König demaskiert sich erst, als bei einem Turnier ein Ritter in fast identischer Rüstung vom Pferd stürzt und schwer verletzt liegen bleibt. Höflinge zischeln vernehmlich, dass müsse der König sein, Yorkisten reiben sich die Hände. Zu früh gefreut. Heinrich sitzt noch hoch zu Ross und klappt lässig das Visier hoch, um der Schaden- und Vorfreude vieler Aristokraten ein Ende zu machen. Der König lebt, es lebe der König. Was für ein Teufelskerl.
    Unbesiegbar zeigt Heinrich sich auch bei der Hirsch- und der Fuchsjagd. Bis zu acht Pferde und sämtliche Begleiter hetzt er beinahe täglich müde.
    Dank so großer Sportbegeisterung ist er in jungen Jahren kein unförmiger Feistling. Er steckt die damals für Fürsten, Kirchenherren, Mönche und Höflinge übliche 6000-Kalorien-Diät, bestehend aus bis zu 25 Gängen und drei Flaschen Wein pro Mahl und Nase, locker weg. Auch das als Durstlöscher literweise getrunkene Ale – damals gilt Wasser zu Recht als Krankheitsquell – setzt bei ihm nicht an. Unter anderem liegt das an seiner Körpergröße. Der rotblonde Hüne überragt mit seinen fast 1,90 Metern seine Zeitgenossen um Längen.
    Ein venezianischer Diplomat beschreibt den König 1515 wie folgt: »Seine Majestät ist der hübscheste Herrscher, den ich jemals gesehen habe; er ist überdurchschnittlich groß und hat außerordentlich schöne Waden.« Von denen wir noch sehr, sehr viel hören werden! Heinrich der Achte, WADEN , bitte merken.
    Weiter im Text: »Er hat ein Gesicht, das so schön ist, dass es einer hübschen Frau wohl anstehen würde.« Bevor Sie abschätzig den Mund verziehen, denken Sie an das Milchgesicht von Titanic -Star Leonardo di Caprio. Feminine Züge und Männlichkeit können anziehend sein.
    Nicht nur Jung Heinrichs blendende Erscheinung wird gepriesen, auch sein schulischer Fleiß kommt ihm jetzt zugute: »Er besitzt viele Talente, ist ein guter Musiker, komponiert sehr artig … spricht Französisch, Latein und Spanisch, ist sehr religiös, hört drei Messen am Tag, wenn er zur Jagd geht, und manchmal fünf an den anderen Tagen.«
    Anders als im Mittelalter – und anders als heute – ist für eine Kultfigur der Renaissance umfassende Bildung ein ultracooles Accessoire. Bei einer Analphabetenrate von über achtzig Prozent sind Bücherwissen und Schreibkünste selten – selbst bei Priestern, die jahrhundertelang das Bildungsmonopol beanspruchten.
    Auch Europas Könige des Mittelalters führten lieber das Schwert als die Feder. Die Ausnahmen unter ihnen galten – siehe Heinrich VI. – als Sonderlinge, so sie nicht beides brillant beherrschten.
    Heinrich VIII. weiß sich nicht nur als Wiedergeburt von König Artus, sondern auch als Intellektueller zu inszenieren. Damit liegt er voll im Trend eines neu erwachten Zeitgeistes. Er sichert sich eine internationale Fangemeinde, die gern, und kostengünstiger als durch Krieg, sein Image als überlegene Geistesgröße fördert. Das kommt Heinrich sehr zupass, obwohl oder vielleicht gerade weil er von Anfang an Krieg im Sinn hat.

Royales Kultur- und Bildungswunder
    Die intellektuelle Avantgarde der Renaissance (zu Deutsch Wiedergeburt) will in Sachen Herrscher und Bildung eine Trendwende herbeiführen. Darum betont man in Gelehrtenkreisen, nicht ganz zweckfrei, Englands Königssohn sei alles andere als auf den Kopf gefallen. Europaweit wird die Werbetrommel für das Bildungswunderkind aus dem Haus Tudor gerührt.
    Die Humanisten möchten ihrer am Menschen statt allein an Kirchengeboten und Theologie orientierten neuen Wissenschaft von ganz oben zum Durchbruch verhelfen. Ein achtzehnjähriger Jungspund an der Spitze eines Inselreiches, das Reklame für seine Bedeutung nötig hat, kommt den Liebhabern antiker Weisheit und Kultur gerade recht.
    Erasmus von Rotterdam ist einer dieser Humanisten, der ganz Europa sozusagen als Handelsvertreter des neuen Geistes bereist. Viele Königshäuser würden ihn gern als Hofdichter und Prinzenerzieher einstellen, was er ablehnt; aber schon dem neunjährigen Heinrich hat er »Würde des Geistes, verbunden mit bemerkenswerter Höflichkeit« attestiert.
    Jetzt lobt der gebürtige Niederländer

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