Shakran
werde ich nie vergessen. Und genau in diesem Augenblick habe ich mir geschworen, ich finde das Arschloch, das ihr das angetan hat.« Er sah Mark an. »Geben Sie mir mal einen von den Sargnägeln.«
»Ich dachte, Sie hätten aufgehört?«
»Hab ich auch. Sue wird mir gehörig den Marsch blasen. Geben Sie schon her.«
Mark warf ihm eine Zigarette zu, Kramer fing sie auf, zündete sie sich an ... und fing an zu husten. »Anns Glückssträhne«, fuhr er stockend fort, »war damit aber nicht zu Ende. Zwei Stunden vorher war eine andere junge Frau, auch sie rothaarig, an der Busstation vor einen Bus gelaufen. Auch sie hatte es im Gesicht erwischt, aber sie hatte nicht so viel Glück. Genickbruch. Vier Stunden, nachdem sie ins Leichenschauhaus gebracht worden war, tauchten zwei Gentlemen vom FBI auf, um Anns Leiche zu identifizieren. Sie sagten, sie wäre möglicherweise eine ihrer Informantinnen. Die junge Frau vom Busbahnhof war vielleicht eine Ausreißerin. Wir werden es nie erfahren. Für uns ist sie Jane Doe 4312 geblieben. Wie der Pathologe mir anschließend erzählt hat, haben die beiden Männer sofort abgewinkt, als sie das zerstörte Gesicht der jungen Frau gesehen haben. Wahrscheinlich waren sie überzeugt, dass es sich um Ann handelt.«
»Das legt die Vermutung nahe, dass sie konkret nach einer jungen Frau mit zerstörtem Gesicht gesucht haben«, meinte Val.
Kramer nickte. »Und damit kommen wir zum nächsten Mysterium. Ann hatte eine Silberkette mit Glücksbringern an ihrem linken Knöchel. Daran befand sich ein silbernes Röhrchen, das man aufschrauben konnte. Da drin war die Telefonnummer einer hiesigen Anwaltskanzlei. Ich habe selbst dort angerufen und den Anhänger erwähnt. Und dann sind Sorowitz und Partner auf der Bildfläche erschienen. Es sah so aus, als ob Ann ihre Unterlagen dort deponiert hätte.« Kramer pafft an seiner Zigarette. »Da kam auch der Führerschein her. Sie haben das Bild gesehen? Schön unscharf, nicht wahr? Gerade noch so, dass man es durchgehen lassen kann. Obwohl ich mir hundertprozentig sicher bin, dass die Anwälte Ann nie kennengelernt haben, haben sie sich um jedes Detail gekümmert. Sie haben dafür gesorgt, dass Ann die beste medizinische Versorgung erhielt, die man für Geld kaufen kann. Die Kanzlei Sorowitz und Partner ist eine der größten Wirtschaftskanzleien hier in der Stadt mit einem nicht zu unterschätzenden Einfluss.« Kramer verzog angewidert das Gesicht und drückte seine Zigarette aus. »Von da an hatte Ann keine Probleme mehr. Sorowitz hat alle aus dem Weg geräumt. Natürlich habe ich versucht, etwas herauszufinden. Ohne Erfolg, wie Sie sich denken können.« Kramer wippte ein paar Sekunden lang in seinem Sessel. Seine Augen blickten ins Leere.
»Der Tatort war nicht schwer zu finden. Der Mercedes ist offensichtlich mit hoher Geschwindigkeit über die Klippe gerauscht. Einer meiner Detectives war der Meinung, dass Ann selbst Gas gegeben haben muss, weil nichts gefunden worden ist, was das Pedal hätte betätigen können. Ich halte das für unwahrscheinlich. Es gab ein paar Hinweise darauf, dass es zu einem Handgemenge kam, aber nichts Konkretes. Ob der Mordversuch dort stattgefunden hat, ob man sie dort misshandelt hat oder nicht, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Partikel an ihren Kleidern haben bestätigt, dass sie dort im Schlamm gelegen hat, das ist aber auch schon alles. Die Straße wird nur selten benutzt. Sie führt zu einer automatischen Wetterstation. Was man aber definitiv ausschließen kann, ist, dass Ann in ihrem Zustand das Fahrzeug selbst gesteuert hat.«
»Stammen die Knochenbrüche vom Sturz über die Klippen, oder waren sie schon vorher vorhanden?«, fragte Val.
Kramer schüttelte den Kopf. »Das konnte keiner sagen. Die Gesichtsverletzungen sind auf jeden Fall nicht durch den Sturz entstanden. Wir haben das Brecheisen im Kofferraum des Wagens gefunden. Rostpartikel in den Wunden und Gewebespuren an der Tatwaffe haben das eindeutig bestätigt. Aber selbst ohne die Knochenbrüche wäre Ann lebensgefährlich verletzt gewesen. Und warum sollte sie den Wagen über die Klippe fahren?«
»Die Einzige, die uns das sagen kann, ist Ann selbst«, sagte Mark.
Kramer nickte. »Sie hat es vergessen. Sie hat mir gestern Abend erzählt, dass sie anfängt, sich daran zu erinnern, aber bisher noch nicht an die Tat selbst.«
28
D er Computeroperator sah zu seinem Vorgesetzten hoch. »Schon wieder.«
Der schlanke, groß gewachsene Mann
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