Shannara III
überstanden hatten.
»Nun steh doch schon auf, los, aufstehen!« Spinkser hüpfte vor Ungeduld auf und ab. »Was soll das, nur so herumzusitzen?«
Jair schwenkte die Beine aus dem Bett und schaute sich in dem Raum um, wo er sich befand. Es war eine schmale Steinkammer, die spärlich mit Bett, Tisch und Stühlen möbliert war, und die Wände waren kahl bis auf einen breiten Wappenwandbehang, der von Haltern an der schrägen Decke hing. Ein zweites Fenster war am anderen Ende der Wand, an der Jairs Bett stand, zu sehen, und eine einzelne Holztür befand sich geschlossen ihm gegenüber. In einer Ecke barg ein kleiner Kamin mit Eisengitter einen Stapel brennender Holzscheite.
Er schaute Spinkser an. »Wo sind wir?«
Spinkser warf ihm einen Blick zu, als wäre er ein völliger Idiot. »Na, was glaubst du denn? Wir sind in der Zwergenfestung!«
Wo sonst? dachte Jair wehmütig. Langsam stand er auf und prüfte noch, wie er bei Kräften war, als er sich streckte und neugierig aus dem Fenster hinter sich schaute. Durch den schmalen, vergitterten Schlitz sah er, wie die trübgraue Fläche des Cillidellan sich in einen dick nebel- und wolkenverhangenen Tag dehnte. Weit entfernt zwischen den dahinziehenden Schwaden konnte er das Flackern von Wachfeuern am Seeufer erkennen.
Gnomen-Wachfeuer.
Dann fiel ihm auf, wie still alles war. Er befand sich in der Festung Capaal, der Zwergenzitadelle, die über die Schleusen und Dämme wachte, welche den Strom des Silberflusses nach Westen regulierten, jener Burg, die einen Tag zuvor unter dem schweren Ansturm der Gnomen-Heere gestanden hatte. Wo waren diese Heere nun? Weshalb wurde Capaal nicht mehr angegriffen?
»Spinkser, was ist aus der Belagerung geworden?« fragte er ruhig. »Warum ist alles so still?«
»Woher soll ich das wissen?« keifte der andere. »Mir erzählt doch keiner etwas!«
»Was geht denn da draußen vor sich? Was hast du beobachtet?«
Spinkser setzte sich mit einem Ruck auf. »Du hast nicht ein Wort von dem gehört, was ich gesagt habe, wie? Was ist los - taub geworden oder was? Ich halte mich hier in diesem Raum mit dir auf, seit sie euch gestern abend aus dem See gefischt haben! Eingesperrt wie ein gewöhnlicher Dieb! Habe dem verdammten Grenzbewohner da draußen das Leben gerettet, und wie belohnt man meine Mühe? Ich werde mit dir eingesperrt!«
»Nun, ich…«
»Ein Gnom bleibt ein Gnom, denken die! Trau bloß keinem von uns! Also sitze ich hier, spiele die Glucke für dich, während du hier in aller Gemütsruhe schlummerst. Den ganzen Tag habe ich darauf gewartet, daß du dich endlich entschließt aufzuwachen. Und wahrscheinlich würdest du immer noch schlafen, wenn ich nicht endgültig die Geduld verloren hätte!«
Jair wich zurück. »Du hättest mich doch früher wecken können…«
»Wie denn?« platzte der andere heraus. »Woher sollte ich denn wissen, was dir fehlte? Hätte ja alles mögliche sein können! Ich mußte dich doch sicherheitshalber schlafen lassen. Hätte ich vielleicht ein Risiko eingehen sollen? Dieser schwarze Teufel von Waffenmeister hätte mir das Fell über die Ohren gezogen!«
Jair mußte unwillkürlich grinsen. »Nun beruhige dich doch, ja?«
Der Gnom biß die Zähne zusammen. »Ich werde mich beruhigen, sobald du dich aus dem Bett und in deine Kleider bequemst. Hinter der Tür steht ein Wachposten und paßt auf mich auf. Aber jetzt, wo du wach bist, können wir ihn vielleicht überreden, uns beide hinauszulassen! Dann kannst du dich auf deine eigenen Kosten amüsieren! Jetzt zieh dich an!«
Mit einem Achselzucken streifte Jair das Nachtzeug ab, das man ihm zur Verfügung gestellt hatte, und begann, seine eigenen Sachen anzuziehen. Er war überrascht, aber erfreut, Spinkser wieder so redselig vorzufinden, auch wenn seine Gesprächigkeit sich zumindest im Moment auf eine Schimpfkanonade gegen den Talbewohner beschränkte. Spinkser schien wieder mehr der alte zu sein, eher wieder der zungenfertige Bursche aus der ersten Nacht, als Jair im Hochland sein Gefangener war - der Bursche, den Jair liebgewonnen hatte. Er war sich nicht ganz sicher, wieso der Gnom sich gerade jetzt entschlossen hatte, aus seinem Schneckenhaus herauszukommen, aber er war erfreut, den alten Spinkser wieder bei sich zu haben.
»Tut mir leid, daß du mit mir hier eingesperrt warst«, getraute er sich nach einer Weile zu sagen.
»Hoffentlich«, brummelte der andere. »Weißt du, sie haben mich hier hereingesteckt, damit ich mich um dich kümmere.
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