Shannara III
Wasserfällen hinabführte. Aufsteigende Gischtwolken umhüllten sie und klebten feucht auf ihrer Haut. Der Wind erstarb hinter dem Rand des Grates, sein schrilles Pfeifen ging im Dröhnen des Wasserfalls unter. Sonnenschein versank in Schatten, ein trügerisches Zwielicht legte sich über das Waldland, das sie in allmählich weitergreifenden Schleifen passierten.
Schließlich gelangten sie an den Fuß der Wasserfälle und folgten weiter dem dunklen Weg, der sie hierhergeführt hatte, um endlich aus Nebel und Schatten in warmen Sonnenschein aufzutauchen. Sie ritten ostwärts am Flußufer entlang durch hohes Gras, das im Schutz eines Hains von Kiefern und gelbblättrigen Eichen noch frisch und grün war. Allmählich wurde das Donnern des Wasserfalls schwächer und die Luft weniger kalt. In den Bäumen um sie her flatterten Vögel in einem plötzlichen Aufleuchten von Farben.
Leben hatte wieder Einzug im Land gehalten. Brin seufzte dankbar und dachte, wie erleichtert sie war, die Berge hinter sich gebracht zu haben.
Und dann zerrte Allanon unvermittelt an den Zügeln, daß sein Pferd stehenblieb.
Und fast so, als gehorchte er dem Willen des Druiden, verstummte der Wald ringsum plötzlich - es war ein tiefes, bedrückendes Schweigen, das wie ein Leichentuch über allem hing. Ihre Pferde hielten hinter dem seinen an. Talmädchen und Hochländer schauten gespannt den großen Mann und dann einander an, und in ihren Blicken standen Überraschung und Vorsicht. Allanon rührte sich nicht. Er blieb einfach rittlings und steif im Gegenlicht sitzen, starrte geradeaus in die Schatten der Waldbäume und lauschte.
»Allanon, was…?« hob Brin zu fragen an, doch die Hand des Druiden fuhr mit einem Ruck in die Höhe, um sie zum Schweigen zu bringen.
Endlich drehte er sich um, und das magere, dunkle Gesicht wirkte angespannt und hart; in seinen schmalen Augen stand ein Ausdruck, den weder das Mädchen aus dem Tal noch der Hochländer jemals gesehen hatten. In diesem Augenblick befiel Brin plötzliches Entsetzen, ohne daß sie hätte sagen können, warum sie dieses Gefühl überkam.
Der Druide sagte nichts. Statt dessen lächelte er - ein knappes, trauriges Lächeln - und wandte sich ab. Seine Hand winkte sie weiter, und er schlug den Weg zu den Bäumen ein.
Sie ritten nur ein kurzes Stück durch eine Gruppe kleiner Bäume und verwelkender Sträucher, bis sich am Flußufer eine schmale Schlucht vor ihnen auftat. Dort brachte Allanon sein Pferd abermals zum Stehen, und diesmal stieg er ab. Rone und Brin taten es ihm nach. Gemeinsam stellten sich die drei vor ihre Pferde und schauten über die Klamm zu einem dunkler werdenden Baumbestand auf der anderen Seite.
»Was ist los, Allanon?« brachte Brin ihre Frage diesmal zu Ende.
Der Druide drehte sich nicht zur Seite. »Etwas nähert sich. Hört!«
Sie warteten reglos neben ihm. Die Stille war nun so vollständig, daß selbst das Geräusch ihres eigenen Atmens ihnen heiser in den Ohren klang. Brins Vorahnung meldete sich in ihrem Innern erneut zu Wort, nachdem es ihr aus dem Regen und dem Grau von den Drachenzähnen hierher gefolgt war. Angst strich ihr mit eisiger Hand über die Haut, daß sie schauderte.
Plötzlich war ein schwaches, verhaltenes Geräusch zu vernehmen - ein leises Rascheln toten Laubs, in dem sich etwas bewegte.
»Da!« schrie Rone auf, und seine Hand deutete in die entsprechende Richtung.
Etwas kam auf der gegenüberliegenden Seite der Klamm zwischen den Bäumen in Sicht. Noch innerhalb der Düsternis blieb es plötzlich stehen, als es die drei erblickte, die es beobachteten. Lange Augenblicke verharrte es wie erstarrt in seinem Schutz, unsichtbare Augen starrten ihnen entgegen aus einem lautlosen Schatten in der Dunkelheit.
Dann trat es rasch und zielstrebig aus den Bäumen ins Licht. Die Kälte, die sich in Brin ausgebreitet hatte, wurde auf der Stelle eisig. Niemals zuvor hatte sie ein Wesen wie jenes gesehen, das nun vor ihnen stand. Es war der Erscheinung nach menschenähnlich, zu halbgeduckter Haltung erhoben, und seine langen Arme baumelten vor ihm herab. Es war ein großes, kräftiges Geschöpf, mager und muskulös. Seine Haut war von eigentümlich rötlicher Tönung und dicht über den starken Körper gespannt; es war unbehaart bis auf einen dichten Wust um seine Lenden. Große, gekrümmte Krallen bogen sich von seinen Fingern und Zehen. Es reckte ihnen das Gesicht entgegen, und es war das stumpfsinnige, narbige Gesicht einer grotesken Bestie.
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