Shannara III
gezeichnet. »Es war doch Zauberei, oder? Wie hast du das gelernt? Es hat etwas mit der Stimme zu tun, stimmt’s? Du rufst die Schlangen mit deiner Stimme. Nur ein Trick. Ich habe mir schier in die Hosen gemacht, dabei hätte ich nicht gedacht, daß mir noch vieles Angst einjagen könnte.« Er machte eine Pause. »Außer vielleicht die Wandler.«
Jairs Augen funkelten furchtsam bei der Erwähnung der Mordgeister. Der Gnom sah es und nickte. »Vor denen lohnt es sich, Angst zu haben. Durch und durch schwarz. Finster wie die Mitternacht. Ich würde nicht wollen, daß sie hinter mir her sind. Ich habe keine Ahnung, wie du dem bei dir Zuhause hast entkommen können…«
Plötzlich hielt er inne und beugte sich vor. »Hast du Hunger, Junge?« Jair nickte. Der Gnom betrachtete ihn einen Augenblick lang nachdenklich, dann stand er auf. »Ich will dir was sagen. Ich nehme den Knebel raus und füttere dich, wenn du versprichst, deine Zauberkünste nicht gegen mich einzusetzen. Es würde dir ohnehin nicht viel nützen, wo du an den Baum gefesselt bist - es sei denn, deine Schlangen können auch Seile durchbeißen. Ich werde dir etwas zu essen geben, und wir können uns ein bißchen unterhalten. Die anderen werden erst morgen früh hier sein. Was hältst du davon?«
Jair dachte kurz nach und nickte zustimmend. Er hatte einen Bärenhunger.
»Also abgemacht.« Der Gnom trat zu ihm und zog den Knebel heraus. Eine Hand umschloß fest Jairs Kinn. »Und jetzt dein Wort - versprich es. Keine Zauberei.«
»Keine Zauberei«, wiederholte Jair und wand sich.
»Gut, gut.« Der Gnom ließ seine Hand sinken. »Du bist einer, der Wort hält, wette ich. Weißt du, jeder taugt nur soviel wie sein Wort.« Er griff zu seinem Gürtel nach einer festen Lederflasche, löste den Stöpsel und führte sie an Jairs Lippen. »Trink. Los schon, nimm einen Schluck.«
Jair nippte die unbekannte Flüssigkeit, seine Kehle war trocken und wie zugeschnürt. Es war derbes, bitteres Bier und brannte das ganze Stück die Kehle hinab bis zum Magen. Jair würgte und wich zurück, der Gnom verstöpselte die Flasche wieder und hängte sie zurück an seinen Gürtel. Dann hockte er sich auf seine Hinterbacken zurück und grinste.
»Ich heiße Spinkser.«
»Jair Ohmsford.« Jair mühte sich immer noch zu schlucken. »Aber das weißt du vermutlich.«
Spinkser nickte. »Das wußte ich. Aber wie es scheint, hätte ich noch ein bißchen mehr in Erfahrung bringen sollen. Du hast mich auf eine ganz schöne Verfolgungsjagd geschleppt.«
Jair zog die Stirn kraus. »Wie hast du es überhaupt geschafft, mich einzuholen? Ich hätte nicht geglaubt, daß dies noch irgend jemand gelingen könnte.«
»Ach, das.« Der Gnom schnüffelte. »Naja, irgend jemand hätte es auch nicht geschafft. Aber ich bin ja nicht irgendwer.«
»Was meinst du damit?«
Der Gnom lachte. »Ich meine, ich bin Fährtensucher, Junge. Das ist mein Beruf. Tatsache ist, daß ich das wohl besser kann als irgendein anderer, der noch am Leben wäre. Deshalb haben die anderen mich auch mitgebracht. Deshalb bin ich hier. Ich war auf Fährtensuche.«
»Nach mir?« fragte Jair verwundert.
»Nein, nicht nach dir… nach dem Druiden! Den sie Allanon nennen. Hinter ihm war ich her. Du bist mir nur zufällig zur falschen Zeit in die Quere gekommen.«
Ein entsetzter Ausdruck machte sich auf dem Gesicht des Jungen aus dem Tal breit. Dieser Gnom war ein Fährtensucher? Kein Wunder, daß er ihm nicht hatte entkommen können, wie es ihm bei jedem anderen Menschen gelungen wäre. Aber Allanon aufzustöbern…?
Spinkser schüttelte hilflos den Kopf und stand auf. »Schau, ich werde dir alles erklären, aber laß uns erst etwas essen. Ich mußte dich von der zwei Meilen entfernten Jagdhütte hierher tragen, und wenn du auch klein wirkst, bist du für deine Größe ziemlich schwer. Während du geschlafen hast, hat mir das ganz schönen Appetit gemacht. Jetzt bleib still sitzen, ich werde etwas aufs Feuer setzen.«
Spinkser holte von der anderen Seite der Lichtung einen Rucksack, zog einige Kochutensilien heraus und innerhalb weniger Minuten schmurgelte über dem Feuer ein Rindfleisch-Gemüse-Eintopf. Der Duft des kochendes Essens zog durch die Abendluft an Jairs Nasenflügel, daß ihm der Mund wäßrig wurde. Ihm wurde klar, daß er schon mehr als ausgehungert war. Er hatte keine anständige Mahlzeit mehr gehabt, seit er den Gasthof verlassen hatte. Außerdem mußte er bei Kräften bleiben, falls er irgendeine
Weitere Kostenlose Bücher