Shannara III
verläuft der Silberfluß.« Er ritzte ihn ein. »Wir stehen hier. Östlich, etwa vier Tagesmärsche entfernt, liegt die Zwergen-Festung Capaal, welche die Schleusen und Dämme am Cillidellan sichert. Nördlich davon fließt der Silberfluß talwärts aus den Hohen Zinnen und den Gnomengefängnissen in Dun Fee Aran. Noch weiter im Norden liegen das Rabenhorn und Graumark. Sollten wir gezwungen sein, den Fluß zu verlassen, liegt ein schwieriger Weg durch den Anar vor uns - alles Wildnis.« Er machte eine Pause. »Gnomen-Heere beherrschen alles nördlich und östlich von Capaal. Wenn wir erst einmal dort oben sind, werden wir sehr aufpassen müssen.«
»Fragen?« Garet Jax schaute hoch.
Spinksers spöttisches Schnauben brach die Stille. »Aus Eurem Mund klingt es entschieden einfacher, als es ist«, knurrte er.
»Deshalb haben wir Euch ja auch mitgenommen.« Der Waffenmeister zuckte mit den Schultern. »Wenn wir Capaal erst einmal hinter uns gelassen haben, werdet Ihr es sein, der den Weg aussucht.«
Spinkser spie verächtlich auf die Zeichnung. »Falls wir so weit kommen.«
Die Gruppe ging auseinander, und ein jeder machte sich sein Lager für die Nacht. Jair zögerte und ging dann hinter Spinkser her. Auf der anderen Seite der Lichtung holte er den Gnomen ein.
»Spinkser!« rief er. Der Gnom drehte sich sogleich um, sah, wer es war, und wandte den Blick wieder fort. Jair trat vor ihn und stellte sich ihm in den Weg. »Spinkser, ich möchte dir nur versichern, daß es nicht meine Idee war, dich mitzunehmen.«
Spinksers Augen waren hart. »O doch, das war deine Idee.«
Jair schüttelte den Kopf. »Ich hätte niemanden gezwungen mitzukommen, der nicht wollte - nicht einmal dich. Aber ich bin froh, daß du dabei bist. Das wollte ich dir nur sagen.«
»Wie tröstlich«, spöttelte der Gnom. »Vergiß nicht, die Wandler daran zu erinnern, wenn sie uns alle in ihr Gefängnis gesteckt haben!«
»Spinkser, sei nicht so. Du darfst nicht…«
Der Gnom wandte sich unvermittelt ab. »Laß mich in Ruhe. Ich möchte nichts mit dir zu tun haben. Ich möchte mit dem allem nichts zu tun haben.« Dann schaute er plötzlich zurück, und in seinen Augen stand - wilde Entschlossenheit. »Bei der erstbesten Gelegenheit, Junge, werde ich mich aus dem Staube machen! Denk daran: bei der erstbesten Gelegenheit! Na - bist du jetzt immer noch froh, daß ich dabei bin?«
Er wirbelte herum und stapfte davon. Jair starrte hilflos hinter ihm her und war gleichzeitig traurig und erzürnt über die Art, wie die Dinge sich zwischen ihnen entwickelt hatten.
»Er ist nicht so wütend auf dich, wie es den Anschein hat«, dröhnte eine tiefe Stimme. Jair drehte sich um und sah den Grenzbewohner Helt neben sich stehen, der mit seinem langen, sanften Gesicht auf ihn herabblickte. »Er ist vor allem wütend auf sich selbst.«
Jair schüttelte zweifelnd den Kopf. »So sah es aber gar nicht aus.«
Der Grenzmann trat an einen Baumstumpf, setzte sich und streckte die langen Beine aus. »Vielleicht nicht, aber das ist die Wahrheit. Der Gnom ist Fährtensucher; ich habe ihn in Varfleet kennengelernt. Fährtensucher sind nicht wie andere Menschen; sie sind Einzelgänger, und Spinkser ist einsamer als die meisten. Er hat das Gefühl, hier in eine Falle geraten zu sein, und sucht einen Sündenbock dafür. Offensichtlich findet er es am einfachsten, dir die Schuld in die Schuhe zu schieben.«
»Ich bin vermutlich in gewisser Weise auch schuld.« Der Talbewohner starrte dem davonmarschierenden Gnomen hinterdrein.
»Nicht mehr als er selbst«, antwortete der andere gelassen. »Schließlich ist er doch aus eigenem Antrieb in den Anar gekommen, oder nicht?«
Jair nickte. »Aber ich bat ihn darum.«
»Irgend jemand hat uns alle gebeten, teilzunehmen«, bemerkte Helt. »Aber wir brauchen nicht zu gehen; es war unsere eigene Entscheidung. Bei dem Gnomen verhält es sich nicht anders. Er hatte sich entschieden, dich nach Culhaven zu begleiten - vermutlich wollte er es. Vielleicht will er auch jetzt mitkommen, vermag es nur sich selbst nicht einzugestehen. Vielleicht jagt ihm der Gedanke sogar ein wenig Angst ein.«
Jair runzelte die Stirn. »Was könnte ihn denn daran ängstigen?«
»Daß es bedeutet, daß er dich mag. Ich kann mir keinen anderen Grund vorstellen, aus dem er sonst hier sein sollte.«
»Darauf wäre ich nicht gekommen. Ich glaube, ich ging eher vom Gegenteil aus, nach allem, was er sagt - daß ihm an überhaupt nichts liegt.«
Helt
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