Shannara VIII
Kehrer lief hinter ihnen her.
»Wir sollen dich mitnehmen, wenn wir von hier fortgehen?«, fragte er ungläubig.
Das Bild wiederholte sich zweimal, eindringlich und unmissverständlich. Daraufhin erschien ein neues, die Jerle Shannara, die gen Himmel stieg, mit aufgezogenen Lichtsegeln und Strahlungssammlern. Am Bug des Luftschiffes stand der kleine Kehrer und schaute zurück auf das Land, das hinter ihnen zurückblieb.
»Das ist lächerlich«, murmelte Ahren vor sich hin. »Er ist eine Maschine.«
»Eine empfindungsfähige Maschine«, berichtigte Ryer Ord Star ihn. »Denkfähig und mit Gefühlen ausgestattet. Ahren, der Kehrer will das Gleiche wie wir. Freiheit.«
Der jugendliche Elf setzte sich langsam auf den Schutthaufen und legte das Kinn in die Hände. »Trotzdem habe ich bei der Sache ein schlechtes Gefühl«, sagte er und richtete den Blick auf den Kehrer. »Wenn wir tun, was er will, und nach unten gehen, werden wir von den anderen abgeschnitten. Falls das eine Falle ist, haben wir keine Fluchtmöglichkeit. Ich weiß nicht. Zuerst sollten wir die anderen suchen.«
Sie kniete sich vor ihn hin, legte die Hände über seine und berührte mit den Fingerspitzen sein Gesicht. »Elfenprinz, hör mir zu. Warum sollte dies eine Falle sein? Was immer Castledown bewacht, wenn es uns haben wollte, hätte es längst zugreifen können. Wenn dieser Kehrer uns täuschen wollte, wären wir dann nicht längst von Kriechern umzingelt? Welchen Unterschied macht es schon, wenn er uns unter die Erde bringt? Warum sollte er so viel Einsatz zeigen, um so wenig zu erreichen?«
Darauf wusste er auch keine Antwort, so viel musste er eingestehen. Sie hatte Recht; es ergab nicht besonders viel Sinn. Aber das galt ebenso für eine ganze Reihe anderer Dinge, die sich auf dieser Reise ereignet hatten, und er wollte nicht leichtfertig die Warnungen seines Instinkts in den Wind schlagen. Irgendetwas beunruhigte ihn. Vielleicht war es lediglich die Angst, so zu enden wie Joad Rish und die anderen. Möglicherweise war es auch die unauslöschliche Erinnerung an das Gemetzel, an die Schreie und das Sterben. Das alles war noch zu frisch, um ihm objektives Denken zu erlauben.
»Wir haben keine Zeit, nach den anderen zu suchen«, beharrte sie. »Vielleicht ist da draußen auch niemand mehr!«
Das allerdings war seine größte Angst. Dass niemand mehr lebte, dass sie die Letzten waren.
Sie drückte ihre Hände auf seine und umschloss sie. Er nahm den Kopf hoch, aber sie wollte nicht loslassen. »Ahren«, flüsterte sie. »Komm mit. Bitte.«
Sie hatte ebenfalls Angst. Er spürte es in ihrer Berührung und hörte es in ihrer Stimme. Sie war nicht weniger verletzlich als er. Zwar konnte sie in die Zukunft sehen, und womöglich hatte sie dabei einige Dinge erblickt, die sie nicht hätte erfahren sollen, Dinge, die sie mehr ängstigten als die, die hinter ihnen lagen. All dem zum Trotz würde sie hinunter nach Castledown gehen, weil sie so starke Gefühle für Walker hegte und ihn einfach nicht im Stich lassen konnte, gleichgültig, was auch geschah. Um diese Stärke beneidete er sie. Sie stellte damit seine eigene Stärke in den Schatten und beschämte ihn erneut. Ob er mitkäme oder nicht, darauf würde sie keine Rücksicht nehmen. Und was würde er dann tun? In die Bucht zurückkehren, sich vor den Mwellrets verstecken und auf die Jerle Shannara warten? Nach Hause fliegen und den Rest seines Lebens mit dieser Last verbringen, dass er im entscheidenden Augenblick den Schwanz eingezogen hatte?
Dann wäre er vielleicht doch lieber gleich tot.
»Also gut«, sagte er leise, nahm ihre Hände und hielt sie wie kleine Vögel. Er beugte sich beruhigend zu ihr vor und fügte mit fester Stimme hinzu: »Wir unternehmen einen Versuch.«
Kapitel 9
Quentin Leah hockte versteckt in einem teilweise eingestürzten Gebäude knapp außerhalb des Labyrinths, in welches die Mwellrets sich allzu verwegen vorgewagt hatten, um wenig später in kaum ordentlich zu nennender Art und Weise die Flucht zu ergreifen. Panax und Tamis standen reglos neben ihm und spähten ebenso wie er durch die Spalte in den Wänden. Die Elfenjäger Kian und Wye knieten ein Stückchen weiter. Die Mwellrets rannten vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Stattdessen sahen sie sich ständig um und schauten nach, ob sie verfolgt wurden. Einige der Rets bluteten, ihre Kleidung war zerrissen und schmutzig, dabei humpelten und taumelten sie. Offenbar hatte es ihnen im Labyrinth nicht
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