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seinen Kampfgeist lähmten. Andere verursachten furchtbare Schmerzen. Und wieder andere richteten erheblichen Schaden an. Nash kannte sie alle. Er wusste, wie man seine Hände und besonders die Fingerknöchel schützte, während man mit aller Kraft zuschlug, er konnte die Faust so ballen, dass er sich nicht verletzte, und einen Palm-Strike korrekt ausführen.
Kurz bevor Marianne gestorben war, als sie nur noch röcheln konnte, weil sie so viel Blut in der Kehle hatte, hatte Nash das getan, was er in solchen Situationen immer tat. Er hatte aufgehört und nachgeguckt, ob sie noch bei Bewusstsein war. Dann hatte er gewartet, bis sie ihn anschaute, ihr tief in die Augen geblickt und das Entsetzen darin gesehen.
»Marianne?«
Er wollte sich ihrer Aufmerksamkeit sicher sein. Und als er das war, flüsterte er die letzten Worte, die sie je hören sollte:
»Sag Cassandra bitte, dass ich sie vermisse.«
Und dann hatte er sie endlich sterben lassen.
Den Lieferwagen hatten sie geklaut. Dann hatten sie die Nummernschilder ausgetauscht, um das Ganze noch undurchschaubarer zu machen. Nash stieg zwischen den Sitzen hindurch nach hinten in den Ladebereich. Er legte Marianne ein Stirnband in
die Hand und drückte diese dann zusammen. Dann schnitt er Marianne vorsichtig mit einer Rasierklinge die Kleidung vom Körper. Als sie nackt war, nahm er neue Kleidung aus einer Plastiktüte. Es war anstrengend und dauerte eine ganze Weile, aber schließlich hatte er sie angezogen. Das rosa Oberteil saß zu eng, aber das war Absicht. Der Lederrock war extrem kurz.
Pietra hatte die Sachen ausgesucht.
Die Bar, in der sie Marianne überwältigt hatten, lag in Teaneck, New Jersey. Jetzt waren sie in den Slums von Newark, im Fifth Ward, der vor allem für Straßenhuren und Morde bekannt war. Und genau dafür würde man sie halten – für eine ermordete Nutte. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl wurden in Newark dreimal so viele Menschen ermordet wie im nahe gelegenen New York. Also hatte Nash sie so verprügelt, dass er ihr fast alle Zähne ausgeschlagen hatte. Aber nicht alle. Wenn sie gar keine Zähne mehr gehabt hätte, wäre womöglich jemandem aufgefallen, dass man nicht rauskriegen sollte, wer sie war.
Also hatte er ein paar Zähne dringelassen. Aber es wäre aufwendig und würde auch lange dauern, sie anhand der verbliebenen Zähne zu identifizieren – sofern sie genug Hinweise fanden, die eine so aufwendige Suche rechtfertigten.
Nash klebte den Schnurrbart wieder an, und Pietra setzte die Perücke auf. Das waren vermutlich unnötige Vorsichtsmaßnahmen. Es war niemand zu sehen. Sie holten die Leiche aus dem Lieferwagen und warfen sie in einen Müllcontainer. Nash blickte auf Mariannes Überreste hinab.
Er dachte an Cassandra. Dabei wurde ihm das Herz schwer, aber der Gedanke gab ihm auch Kraft.
»Nash?«, sagte Pietra.
Er lächelte ihr kurz zu und stieg wieder in den Lieferwagen. Pietra legte den Gang ein und sie verschwanden.
Mike stand vor Adams Zimmertür, sammelte sich kurz und öffnete sie.
Adam, der im schwarzen Grufti-Outfit am Computer saß, fuhr herum. »Schon mal was von Anklopfen gehört?«
»Das ist mein Haus.«
»Und dies ist mein Zimmer.«
»Wirklich? Hast du dafür bezahlt?«
Kaum dass er die Worte ausgesprochen hatte, waren sie ihm schon peinlich. Eine typische Elternantwort, die Jugendliche sowieso nur spöttisch abtaten. Ihm wäre es früher genauso gegangen. Warum machte man so etwas? Hatten wir uns nicht alle irgendwann geschworen, die Fehler unserer Eltern nicht zu wiederholen? Warum hielten wir uns dann nicht daran?
Adam hatte den Bildschirm sofort ausgeschaltet. Dad sollte nicht sehen, wo er surfte. Wenn er wüsste …
»Ich hab ’ne Überraschung«, sagte Mike.
Adam drehte den Stuhl um. Er verschränkte die Arme vor der Brust und versuchte, Mike mürrisch anzusehen, was ihm allerdings nicht ganz gelang. Der Junge war groß – er überragte seinen Vater jetzt schon um ein paar Zentimeter –, und Mike wusste, dass er hart sein konnte. Er hatte als Torwart nie Angst gezeigt. Er hatte sich dagegen verwahrt, dass seine Verteidiger ihn beschützten. Wenn ihm jemand in die Quere gekommen war, hatte Adam ihn sich selbst vorgeknöpft.«
»Und was?«, fragte Adam.«
»Mo hat uns ein paar Karten für das Spiel der Rangers gegen die Flyers besorgt.«
Seine Miene blieb unbewegt. »Wann ist das?«
»Morgen Abend. Mom hat einen Termin in Boston. Mo holt uns um sechs ab.«
»Nimm Jill
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