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Sieg der Herzen

Sieg der Herzen

Titel: Sieg der Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
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Hosenersatz. Will war so wütend gewesen, dass Wes sich die halbe Nacht in einem der Schuppen versteckt hatte, nur um seinem zornigen Bruder aus dem Weg zu gehen.
    June musste wieder weinen. Wie kam es, dass sie sich an solche Dinge erinnern konnte, wie Will und Wes ausgesehen hatten, wie die Sonne von Tennessee auf ihrem blonden Haar geleuchtet hatte, wie sie sich in ihrer Umarmung angefühlt und nach frischer Luft und Gras geduftet hatten, wenn sie andererseits nicht in der Lage war, das Aussehen ihrer Gesichter an jenem letzten Morgen von den sonst lebhaften Erinnerungen zu trennen?
    Selbst jetzt, nach so vielen Jahren, schmerzte die Erinnerung an diesen Morgen, an dem sie in den Krieg gezogen waren. Sie erinnerte sich, wie Wes sich weit vor dem Sonnenaufgang davongestohlen hatte, nur mit einer Deckenrolle und seiner Jagdflinte, und wie ihn Will - entschlossen, ihn notfalls am Kragen zurückzuschleifen - zurückgebracht hatte. Ja, das hatte er getan, doch dann war er nur gerade so lange geblieben, um sich zu verabschieden und seine eigenen Sachen zu holen. Und dann waren sie gemeinsam fortgegangen. Sie sah sie vor ihrem geistigen Auge noch davongehen, Seite an Seite in diesen schicksalhaften Frühjahrsmorgen hinein, umhüllt von einer Aura aus Licht.
    Wes hatte so lange davon gesprochen, in den Krieg ziehen zu wollen, dass es weder für sie noch für Jacob überraschend gewesen war, als er die Ankündigung wahr gemacht hatte. Es war traurig gewesen, ja. Sicherlich auch enttäuschend. Aber nicht überraschend.
    Will hingegen hätte nie das Land verlassen, wenn er die Wahl gehabt hätte. Nein, Will war gegangen - lieber Gott, die Wahrheit war in Junes Seele eingeprägt, als hätte jemand sie dort eingebrannt weil sie ihm keine Wahl gelassen hatte. Sie hatte ihn dazu erzogen, auf den Bruder aufzupassen, weil sie gewusst hatte, dass er der Stärkere der beiden war. Sie hatte ihm das Versprechen abgenommen, sich um seinen ungestümen Bruder zu kümmern und auf ihn Acht zu geben. Will hatte nicht in den Krieg ziehen wollen, nicht in seinem Herzen. Er war wie Jacob der Meinung gewesen, dass es ein dummer Kampf war, den der Süden unmöglich gewinnen konnte, aber er war in diesen Krieg gezogen. Wegen Wes.
    Wegen ihr.
    Der Schmerz und die Schuldgefühle waren immer noch so stark, dass sie am liebsten laut aufgeschrien hätte. Sie schlug eine Hand vor den Mund, um ein Schluchzen zu unterdrücken. Vergebt mir, betete sie stumm, doch sie sprach diesmal nicht mit Gott. Nein, die Worte waren für ihre Söhne bestimmt, für die Babys, auf die sie so lange gewartet hatte und die sie für zu kurze Zeit behalten hatte. Wesley. Will. Vergebt mir.
    Jacob wälzte sich auf die Seite zu ihr. »June-Schatz«, sagte er und nahm sie wieder in die Arme. »Lass sie ruhen, Liebling. Lass sie ruhen. Unsere Jungs sind tot.«
    Bei diesen Worten verlor June vollends die Fassung. Der Verlust schien so frisch wie endgültig zu sein und genauso niederschmetternd wie an dem Tag, als sie die Nachricht aus Chattanooga erhalten hatten. Sie weinte jetzt hemmungslos, wie es damals und seither oftmals der Fall gewesen war.
     
    Ich sollte wegreiten, dachte Jack in dieser Nacht, während die kleine Jamie schlief und Miss Olivia in einen Stapel von Notenblättern auf dem Küchentisch vertieft war. Sie hatte in ihrer Bibel das zweite Kapitel des Lukas-Evangeliums aufgeschlagen, und dann und wann notierte sie etwas auf einen Zettel. Dabei hatte sie die Unterlippe leicht zwischen ihre Zähne gezogen, und der Anblick ihres zarten Halses weckte den Wunsch in ihm, sie dort zu küssen. Er saß neben ihr und versuchte, sich auf die alten Römer zu konzentrieren, aber sie waren langweilig, jedenfalls zum größten Teil. Einige heirateten ihre eigenen Schwestern, und keiner von ihnen schien loyal zu seinen Freunden zu halten. Wenn sie sich nicht einander erstachen oder vergifteten, steckten sie den Finger in den Hals, um zu kotzen, damit sie die nächste Fressorgie beginnen und sich von neuem voll fressen konnten. Allmählich verlor er die Geduld mit dem römischen Pack.
    Außerdem lenkte ihn Miss Olivias Anblick auch ziemlich ab, um es gelinde auszudrücken.
    Eigentlich hätte er ärgerlicher auf sie sein sollen, aber die Wahrheit war, dass sie ein Recht hatte, Gäste in ihr Haus einzuladen, wann immer es ihr beliebte. Er war ein Pensionsgast, nicht mehr. Wenn er nicht gesehen werden wollte - jedenfalls nicht aus der Nähe -, dann müsste er aus Springwater

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