Sieg der Leidenschaft
brennt ... Heiliger Himmel, diese Hitze ...«
Endlich erreichte sie eine kleine Lichtung, mit welkem Herbstlaub bedeckt. Am anderen Ende der Wiese lag ein junger Soldat mit hellblondem Haar und großen, kindlichen blauen Augen. Über die verrußten Wangen rannen Tränen. »Bitte ...«, flüsterte er und streckte ihr eine Hand entgegen.
Tia kniete neben ihm nieder. In wachsender Angst spürte sie die Glut des Feuers, das immer näher rückte. »Erst muss ich Sie befreien ...« Sie umklammerte einen Ast des umgestürzten Baums, unter dem das Bein des Jungen eingeklemmt war. Mit aller Kraft zerrte sie daran. Schweiß stand ihr auf der Stirn.
Gellend schrie der Bursche auf, dann verlor er die Besinnung. Jetzt sah sie, dass sein Bein nicht nur gebrochen war. Im Oberschenkel steckte eine Kugel.
»Allmächtiger, steh mir bei!«, betete sie atemlos. Die Hitze der Flammen drohte bereits ihre Füße zu versengen.
»Miss Tia!« Verzweifelt drehte sie sich zu Corporal O'Malley um. »Kommen Sie, Miss Tia! Bald wird's hier lichterloh brennen.«
»Helfen Sie mir!«
»Das ist ein Yankee.«
»Ein Junge!«
»Ob groß oder klein ...«
»Ich lasse ihn nicht im Stich.«
Seufzend rannte O'Malley zu ihr, packte den Ast und biss die Zähne zusammen. Da sein rechter Arm verletzt war, konnte er nur den linken benutzen. Der Kopf des Jungen bewegte sich und er schlug die blauen Augen auf. Sofort erfasste er die Situation. »Bitte, Sir, erschießen Sie mich, bevor das Feuer ...«
»Wir müssen beide an diesem Ast ziehen, Corporal«, fiel Tia ihm ins Wort. »Um Gottes willen, Sie sind ein rechtschaffener irischer Katholik! Hätten Sie nur gehört, wie er vorhin ein Gebet sprach ... Vielleicht sieht uns der Allmächtige zu ...«
»Also gut, Miss Tia, ich zähle bis drei!« Beide umklammerten den Ast. »Eins, zwei, drei ...« Mühsam zerrten sie den Baumstamm zur Seite und sprangen auf. »Mit meinem gebrochenen Arm kann ich den Jungen nicht hochheben.«
»Soldat, Sie müssen mit mir weghinken«, entschied Tia und zog den Yankee auf die Beine. Von knisternden Flammen verfolgt, eilten sie zur Straße. Plötzlich fiel direkt vor ihnen ein Baum zu Boden und sprühte Funken in alle Richtungen. »Kehren Sie um!«, befahl O'Malley. »Versuchen Sie's da drüben!«
Sie musste gehorchen, wobei der junge Yankee vor Schmerzen schrie. Ein paar Minuten später erreichten sie die Straße. Der Wagen fuhr bereits weiter. »Ziehen Sie ihn hinauf!«, rief Tia den Insassen zu. Ohne Fragen zu stellen, griffen sie nach dem Jungen. Vielleicht merkten sie nicht, dass sie einen Yankee retteten. Seine Uniform war so schmutzig, dass die blaue Farbe wie das Grau der Konföderation wirkte. Im beißenden Rauch mussten die meisten Männer husten.
»Helft O'Malley!«, schrie Tia, als der Junge auf dem Wagen saß. »Er kann seinen Arm nicht benutzen.« Trotz ihrer eigenen Wunden zerrten die Soldaten den Sanitäter zu sich herauf und der Fahrer beschleunigte das Tempo. Hinter dem Wagen brannten immer mehr Bäume.
»Miss Tia!«
Sie hörte O'Malleys Ruf und achtete nicht darauf. In den Flammen war ihr Vetter zurückgeblieben. Ohne ihn würde sie nicht wegfahren. Während der Wagen in halsbrecherischer Geschwindigkeit vor dem Inferno floh, rannte Tia mitten hinein.
Da die Feuersbrunst auf ihrem Weg durch den Wald ständig die Richtung wechselte, verloren viele Männer die Orientierung. Taylor war beauftragt worden, in der Wildnis nach verirrten Soldaten zu suchen und sie in Sicherheit zu bringen. Während er zwischen Rauch und Flammen hindurchritt, dankte er dem Himmel für Friar, seinen tapferen, in vielen Kämpfen erprobten Wallach. Die meisten anderen Pferde wären ihren Instinkten gefolgt und vor dem Feuer geflohen.
Zu seiner maßlosen Erleichterung führte ihn die Order in eine Richtung, die er ohnehin einschlagen wollte, zur Rebellenlinie.
Auf einigen kleinen, bisher vom Feuer verschonten Lichtungen traf er unverletzte Soldaten, die Verwundete zur Straße trugen. Natürlich hatte man ihm befohlen, vor allem Unionssoldaten zu retten. Aber niemand hatte ihm untersagt, auch Rebellen aus der Flammenhölle zu holen. So bald wie möglich musste er Brent McKenzie finden - und Tia, oder zumindest jemanden, der ihm erklären konnte, wohin das Lazarett verlagert worden war.
Mit jeder Minute wuchs die Gefahr. Obwohl er wusste, dass immer noch Soldaten im Feuer festsaßen, wäre es reiner Wahnsinn gewesen, in der flammenden Wildnis nach weiteren Überlebenden zu
Weitere Kostenlose Bücher