Silberband 065 - Die Altmutanten
breiten Hinterteil und stützte seinen Oberkörper auf die langen Arme. Der Kugelkopf mit den drei Augen und dem sehr schmalen Mund ruhte zwischen den Schultern. Der dunkelhäutige Koloß erreichte auch in dieser Haltung die gleiche Höhe wie der Terraner. Grüne Seidentücher hüllten ihn ein und ließen ihn noch massiger erscheinen, als er tatsächlich war.
Liman Hambug wedelte mit seinen Händen vor den Augen des Naats herum.
»He, Dicker«, sagte er in Interkosmo, »mach die Guckerchen ein bißchen weiter auf. Ich muß den Chef sprechen.«
Der Naat reagierte nicht. Hambug sah das Blut unter der bräunlichen Haut des Riesen pulsieren. Wäre das nicht gewesen, so hätte er annehmen können, daß jegliches Leben aus dem Diener gewichen war. So entschloß der Terraner sich zur Gewalt: Er hob die rechte Hand und ließ sie klatschend auf den Kopf des Naats herabsausen. Das wirkte. Der Koloß erzitterte und wackelte verwirrt mit dem Kopf. Ermutigt von dieser Reaktion, schlug Liman abermals zu.
Er traf die außerordentlich kleine Stirn des Naats. Dieser stieß einen Schrei aus und sprang auf die kurzen, stämmigen Beine. Der gewaltige Körper schwankte hin und her.
»Wie kann man nur so verschlafen sein«, sagte Liman Hambug, der sich alle Mühe gab, seine Stimme so vorwurfsvoll wie nur möglich klingen zu lassen. »Es ist schon fast heller Tag auf Tahun. Los doch, melde mich dem Kristallprinzen! Er wartet auf eine Nachricht von mir.«
Der Naat kratzte sich mit beiden Händen den Hinterkopf. Dabei erzeugte er ein lautes, scharrendes Geräusch. Hambug fürchtete, er werde sich die Schädeldecke aufreißen. Am liebsten hätte er dem Diener des Kristallprinzen noch einen Tritt gegen das Schienbein versetzt, aber er wollte nicht übertreiben. Dieses Hilfsvolk der Arkoniden war nicht nur praktisch schmerzunempfindlich, sondern auch oft mit eher geringer Intelligenz ausgestattet. Der Naat hätte nur ein wenig schneller gehorcht, wenn er seine Anweisung auf diese Art unterstrichen hätte. Er hätte ihm eine derartige Behandlung nicht verübelt. Dennoch wollte der Terraner sich zurückhalten.
Niemand konnte vorhersagen, wie Poynor 52 reagieren würde, wenn er erfuhr, wie man mit seinen Naats umsprang. Liman hielt den Neuarkoniden für völlig verrückt, und im Grunde seiner Seele haßte er ihn. Lieber heute als morgen hätte er ihn verlassen – wenn er nur eine Möglichkeit gefunden hätte. Was auch immer er tat, meistens war es falsch. Behandelte er die Naats freundlich und zuvorkommend, dann drohte Poynor 52 mit empfindlichen Strafen, weil er angeblich befürchtete, die Zyklopen könnten übermütig werden.
Dabei fehlte ihnen nahezu alles, was dazu nötig war. Davon war Hambug fest überzeugt.
Gingen die Nerven mit ihm durch, dann paßte dem Kristallprinzen das ebenfalls nicht. Dabei blieb manchmal tatsächlich nichts anderes übrig als eine Serie von ›handfesten‹ Befehlen, um die Lethargie der Naats zu überwinden.
Liman Hambug atmete auf, als der Koloß sich endlich umdrehte und schwerfällig auf die Gemächer des Neuarkoniden zuging. Dabei fiel ihm ein, daß er sich an diesem Morgen noch gar nicht danach erkundigt hatte, ob auf einem der anderen Raumschiffe auf Tahun ein tüchtiger junger Mann gebraucht wurde, der zu Botengängen zu verwenden war.
Um sich die Warterei zu vertreiben, überlegte er sich wieder einmal, ob es richtig gewesen war, die Erde als blinder Passagier ausgerechnet auf einem arkonidischen Raumschiff zu verlassen, ohne auch nur die Andeutung einer Ausbildung genossen zu haben. Wie üblich wich er den unvermeidlich peinlichen Antworten, die er sich selbst geben mußte, aus, indem er sich darauf konzentrierte, um wieviel besser sein Entschluß gewesen wäre, wenn er statt des arkonidischen ein terranisches Raumschiff gewählt hätte. Dann wäre alles ganz anders gekommen, und er wäre heute vielleicht – nein, sicher – schon …
»Du sollst reinkommen«, unterbrach der Naat seine Gedanken mit brummiger Stimme.
Liman Hambug betrat die luxuriös eingerichteten Gemächer des Kristallprinzen, der mit ausgebreiteten Armen und Beinen auf einer Antigravliege ruhte. An seinen Schläfen hingen die Kontakte zweier Traummaschinen. Das genügte noch nicht, das Bewußtsein des großen Poynor 52 auszuschalten. Aus halbgeschlossenen Augen blickte er dem Terraner entgegen, bis dieser vor ihm stehenblieb, nach Worten suchte und linkisch an seinem Gürtel herumnestelte.
Ein kleiner Kosmetikroboter
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