Silberband 065 - Die Altmutanten
Hand, während seine rechte die Harpune prüfend wog. Noch fünfzig Meter, und sein Schiff holte langsam und stetig auf. Vielleicht hatte der Fisch die drohende Gefahr nicht einmal bemerkt, denn er schwamm geradeaus, ohne seinen Kurs zu ändern.
Links zog eine Felseninsel vorbei, kahl und ohne Leben. Pendor achtete nicht auf sie. Das Wasser war so klar, daß er trotz der Wellenbewegung die steil in die Tiefe abfallenden Wände sehen konnte. Seine uralte Sehnsucht überkam ihn für einen Augenblick. Tauchen wollte er, so tief es möglich war, mit Hilfe der modernen Geräte, die ihn mit Atemluft versorgten. Es gab Mischungen, die den Wasserdruck ausglichen und Tiefen bis zu tausend Meter ermöglichten. Der moderne Mensch hatte sich der Welt unter Wasser angepaßt. Aber Pendor war kein moderner Mensch. Niemand, der in Porvenir wohnte, wollte jemals ein moderner Mensch sein.
Das Wasser wurde wieder tief und dunkel. Der Fisch war noch zwanzig Meter vor dem Bug der KAP HOORN.
Noch fünfzehn Meter.
Pendor hob die Harpune und machte sich fertig zum Wurf. Das Ende der Leine war im Boot befestigt. Weder sie noch der Speer konnten verlorengehen, wenn nicht gerade ein Ungeheuer harpuniert wurde.
Zehn Meter …
Pendor holte aus und schleuderte die Harpune. Die Spitze traf in den Rücken. Der Fisch drehte sich sofort mit dem Bauch nach oben, noch während die letzten Flossenbewegungen instinktiv einen Fluchtversuch einleiteten. Noch einmal peitschte der mächtige Schwanz in die ohnehin hochgehenden Wogen, dann trieb die Beute still und ruhig in den Wellen.
Pendor hatte es sich nicht so einfach vorgestellt und war erleichtert. Ohne Kampf konnte er den großen Fisch an Bord holen und begann sofort damit, ihn auszunehmen. Auf dem kleinen Boot durfte kein Platz verschwendet werden.
Mit festgebundenem Ruder kreuzte das Boot noch immer halb gegen den Wind, während Pendor hart arbeitete. Er wußte nur zu gut, wie schwer das Leben für ihn war, aber er hätte es sich anders nicht vorstellen können. Er war glücklich und zufrieden.
Mehrmals mußte er die Arbeit unterbrechen, um einer plötzlich auftauchenden Klippe auszuweichen. Dann endlich konnte er das Schiff wenden und Kurs auf Porvenir nehmen. Wenn der Wind so blieb und die Richtung nicht sehr veränderte, würde er in einer Stunde den Hafen erreichen. Felda, seine Frau, würde schon auf ihn warten.
Er warf die Reste des ausgenommenen Fisches über Bord und wunderte sich, wo die Möwen herkamen, sich ihren Teil zu holen. Sie mußten auf einer der häufiger werdenden Felsinseln schon gewartet haben.
Karos, sein Sohn, würde gleich nach seiner Ankunft den Händler Sam Katzbach holen können. Die Familie benötigte neue Schuhe und feste Winterkleidung. Geld kannten die Leute von Porvenir nicht, sie brauchten auch keins. Wer geschickte Hände besaß, fertigte sich alles selbst an, was er zum Leben benötigte, oder tauschte es gegen Lebensmittel ein. Einige der Zeitritter, so nannten sie sich selbst, waren sogar Bauern geworden, denn die Erde in den flachen Mulden oberhalb der Küstenfelsen war fruchtbar. Widerstandsfähiges Getreide wuchs hier, und in den milden Sommern gedieh sogar das Obst.
Sam Katzbachs Eltern hatten schon vor zweihundert Jahren die Tauschzentrale am Hafen erbaut und eingerichtet. Hier konnte jeder die Erzeugnisse seiner Arbeit hinbringen und bekam dafür den entsprechenden Gegenwert in Form fertiger Produkte. Für seinen Fisch, das konnte Pendor sich ausrechnen, erhielt er einige Paar Schuhe und mindestens einen warmen Winteranzug.
Er umfuhr die letzten Klippen vor der Einfahrt zum Hafen und kam plötzlich in ruhiges Gewässer. Die Landzunge und die vielen kleinen Inseln hielten Wind und Wellen ab. Die so eingeschlossene Bucht erinnerte ein wenig an eine Lagune.
Außerhalb der Bucht waren die Küsten felsig und steil und boten kaum Platz zum Ankern oder gar zum Anlegen. Man mußte schon die versteckten und sicheren Plätze genau kennen, wenn man nicht Schiffbruch erleiden wollte.
Mit einer gewissen Befriedigung stellte Pendor fest, daß alle Schiffe im Hafen waren. Außer ihm hatte es niemand gewagt, den sicheren Anlegeplatz zu verlassen. Sein Fisch war heute das Doppelte wert wie sonst.
Karos erwartete ihn am Holzkai. Pendors Sohn war dreißig Jahre alt, kräftig gebaut und hatte lange rotblonde Haare. Wahrscheinlich hatten so die legendären Wikinger ausgesehen. Er trug eine glatte Hose aus Seehundfell, Stiefel aus dem gleichen Material, eine
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