Silberlicht
verblüfft, um zu antworten.
»Du brauchst nicht allein mit ihm zu gehen«, sagte sie lächelnd. »Ich begleite euch.«
Sie sprach von dem Jungen, der mich zu der Tanzveranstaltung der Gemeinde ausführen sollte. »Ist das heute?«
»Heute?« Ihr Lächeln verschwand. »Was ist denn nur mit dir los?«
»Es geht mir gut«, versicherte ich ihr so überzeugend wie möglich. »Gib mir Bescheid, wenn ich den Tisch decken soll.«
»Es ist Dienstag«, erwiderte sie. »Wir nehmen Pappteller für den Spieleabend. Ist Hawaii okay?«
»Hawaii?« Ich legte den fertig gefalteten Schal in die Schublade und griff mir einen neuen. »Ja.«
»Wo hast du nur deinen Kopf?«, fragte sie und runzelte die Stirn.
»Ich schreibe morgen einen Test«, erklärte ich.
»Seit du letzten Sonntag ohnmächtig geworden bist, verhältst du dich seltsam.«
»Tut mir leid.« Mehr fiel mir nicht ein.
»Bist du mit den Hausaufgaben fertig?«, fragte Cathy.
»Ja, bin ich.«
»Ich gebe jetzt die Bestellung durch. Wir treffen uns in einer halben Stunde im Gesellschaftszimmer.« Dann stutzte sie. »Was ist mit deinem Haar?«
Ich berührte meine Haare, die immer noch feucht waren von dem Bad, das ich genommen hatte. »Frag nicht«, antwortete ich spontan, was wohl genau richtig gewesen war. Lachend verließ sie das Zimmer.
Ich legte die Kleider zurück in die Kommode und griff nach James’ Anstecker. Eigentlich hatte ich ihn in meiner Schultasche verstauen wollen, doch dann befestigte ich ihn an der Außenseite.
Ich fand Cathy im Gesellschaftszimmer, wo sie drei Klappstühle um einen Kartentisch gruppierte, obwohl es einfacher gewesen wäre, die Stühle aus der Gebetsecke zu benutzen. Doch die waren offensichtlich heilig. Von irgendwoher ertönte leise Musik. Cathy packte ein Monopoly-Spiel aus und stellte dünne Plastikteller, Servietten und Besteck auf den Tisch. Die Atmosphäre war alles andere als festlich.
»Dieses Mal will ich nicht das kleine Bügeleisen«, sagte sie. »Ich will das Schiff sein.«
Sie plazierte drei kleine Metallfiguren in einer Ecke des Spielbretts – einen Hund, einen Zylinder und einen kleinen Ozeandampfer. Als die Türklingel ertönte, rief sie: »Dan, die Pizza ist da!«
Kurz darauf kam Dan mit einem Karton auf der ausgestreckten Hand herein. Er hatte sich ein saloppes Shirt übergezogen und lächelte. Doch ich hatte das unbestimmte Gefühl, dass nicht wir oder das Essen ihm Freude bereiteten, sondern eher die Erinnerung an einen Witz, den er nicht zu erzählen gedachte. Er stellte die Pizza auf dem Tisch ab. Ihr herrlicher Duft überraschte mich. Pizzas hatte ich schon viele gesehen, doch noch nie eine probiert.
»
Monopoly,
ich weiß nicht recht«, sagte Dan.
»Aber das haben wir schon einen Monat nicht mehr gespielt«, erwiderte Cathy.
»Nun ja, ich muss leider noch mal ins Büro«, erklärte er. »Mal sehen, ob die Zeit dann noch reicht.«
Cathy hielt inne und starrte ihn an. »Jenny, hol mal bitte die Limonade und ein paar Becher.«
Da sie mich offensichtlich nicht im Zimmer haben wollte, gehorchte ich eilfertig. Becher und Sodaflasche standen auf der Anrichte. Im Schneckentempo schlich ich den Flur entlang und horchte auf die Stimmen von Jennys Eltern.
»Ich weiß, dass es der Familienabend ist«, sagte Dan. »Und ich kann ja auch eine Stunde bleiben. Aber danach muss ich leider ins Büro und ein Konto mit Steve nachbearbeiten.«
»Du hast versprochen, dass der Dienstagabend der Familie gehört.«
»Ich tue mein Bestes.« Dan klang eher wie Cathys Vater als wie ihr Ehemann. »Es ist doch wohl nicht zu viel von dir verlangt, mich bei meiner Arbeit zu unterstützen. Ich versuche, ein ordentliches Einkommen zu erwirtschaften, damit es meiner Familie gutgeht. Glaubst du nicht, dass ich lieber
Monopoly
spielen würde, als diesen öden Papierkram zu erledigen?«
Ich stand vor der Tür und wünschte, ich könnte wieder wie früher auf dem Dach sitzen.
»Jen?«, rief Dan.
Cathy sah immer noch traurig aus, als ich zurück ins Wohnzimmer kam. Dan legte jedem von uns ein Stück Pizza auf den Teller, Cathy schenkte Limonade ein. Ich saß zwischen den beiden wie ein Haustier.
»Wir können auch gleich
Monopoly
spielen«, lenkte Dan ein. »Wenn ich gehen muss, könnt ihr mein Geld auf euch beide aufteilen.« Er griff nach dem kleinen Bügeleisen und tauschte den Dampfer damit aus. »Dad, Mom und Püppchen«, sagte er.
Er hatte nicht bemerkt, dass sich Cathy eine neue Spielfigur genommen und das brave
Weitere Kostenlose Bücher