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Silbernes Band (German Edition)

Silbernes Band (German Edition)

Titel: Silbernes Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Jaedig
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steckte ohne hinzusehen den passenden Schlüssel ins Schloss, drehte und drückte gleichzeitig den Knopf für die oberste Etage. „Du wohnst hier ganz schön nobel, mit Portier und so“, bemerkte Heiðar mit leicht spöttischem Unterton. „Meine Mieter schätzen den Portierdienst. Es ist sehr angenehm, wenn die Klienten gleich hier unten freundlich empfangen werden. Jeder, der das Haus betritt, wird registriert, was mir auch bei Abwesenheit eine gewisse Kontrolle ermöglicht.“ – „Deine Mieter? Heisst das, die Hütte gehört dir?“ Für einmal klappte Heiðar der Mund auf. „1904 erhielt ich die Möglichkeit, dieses Haus zu erwerben. Es ist das Geburtshaus meiner ehemaligen Gefährtin Elizabeth. Nach dem Tod ihres Bruders geriet die Familie in gewisse Schwierigkeiten, da er in finanziellen Dingen leider kein besonders glückliches Händchen hatte. Damals war das Haus noch nicht unterteilt, wir hatten also sehr viel Platz zur Verfügung, als wir gemeinsam hier lebten. Nachdem sie mich verliess, blieb ich dem Haus für lange Zeit fern. Im zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude leider erheblich beschädigt. Nach Kriegsende liess ich es instandstellen und in mehrere Einheiten unterteilen, die ich dann als Büroräumlichkeiten vermietete. Auf diese Weise bin ich in den Nächten und an den Wochenenden praktisch ungestört. Es sei denn, der gute alte Henry Wandsworth kann es mal wieder nicht lassen, den Sonntag bei seinen Akten zu verbringen. Hast du seinen Herzschlag gehört? Es wird wohl kein gutes Ende nehmen, mit ihm...“

    Der Aufzug stoppte in der vierten Etage. Sie traten auf einen schmalen Gang, an dessen Ende die Treppe lag. Gegenüber vom Aufzug befand sich eine massive braunglänzende Tür. Fionn öffnete und liess sie vorbei: „Ladies first.“ Rúna war beeindruckt vom luxuriösen Ambiente. Die kleine Eingangshalle war mit demselben Marmor ausgelegt, wie die Lobby im Erdgeschoss. „Darf ich um deinen Mantel bitten? Die Schuhe könnt ihr im Schuhschrank deponieren.“ Fionn hängte erst Rúnas Mantel an die Garderobe, bevor er sich aus seiner marineblauen Barbour-Jacke schälte.

    „Lasst uns gleich einen Rundgang machen. Das Gepäck verstauen wir später.“ Er öffnete eine Tür auf der linken Seite der Halle und führte sie in eine riesige Küche. Sie strahlte vor Sauberkeit und war mit allem ausgestattet, was das Herz jedes Hobbykochs höher schlagen liess. Sämtliche Geräte und die schwarzglänzenden Küchenschränke schienen ziemlich neu zu sein. Im Kontrast dazu stand ein uralter, blank gescheuerter Eichentisch in der Mitte des Raums. Fionn warf einen prüfenden Blick in den Kühlschrank und die Vorratskammer. „Sehr gut, es ist alles da, ihr braucht also nicht zu hungern.“ Die Küche hatte einen direkten Zugang zum grosszügigen Esszimmer, wo ein langer Tisch aus poliertem dunklem Holz stand. Um den Tisch waren acht Stühle gruppiert. Drei hohe Fenster, vor denen feine Tüllgardinen hingen, gaben den Blick frei auf den wolkenverhangenen Himmel. Schwere rote Samtvorhänge dienten dazu, bei Bedarf grelles Sonnenlicht – oder neugierige Blicke? – auszusperren. An der gegenüberliegenden Wand standen zwei Vitrinen. In der einen wurde wertvolles Kristallglas aufbewahrt, die andere barg uraltes Porzellan, das wohl noch aus Elizabeths Zeit stammte. Zwischen den Vitrinen führte eine weitere Tür in die Eingangshalle.

    Der nächste Raum, den sie betraten, war Fionns Arbeitszimmer, das genauso dunkel und blankpoliert eingerichtet war wie das Esszimmer. „Hey, da ist ja meine Zeichnung!“ Heiðar stürzte zur Wand neben dem mahagonifarbenen Schreibtisch, wo eine gerahmte Kinderzeichnung hing. Er nahm das Bild von der Wand und betrachtete es mit wehmütigem Blick. Er hatte die Hekla gezeichnet. Im Vordergrund floss die Þjórsá dahin. Auf einem grünen Hügel sass Kristín und winkte fröhlich. Er selbst rannte mitten durchs Bild.

    Rúna war zu ihm getreten und legte den Arm um seine Hüfte. Sie sah, wie sehr es ihn berührte, dass dieses Bild in Fionns Besitz war. “Ich habe diese Zeichnung überall gesucht. Sie war eines Morgens einfach verschwunden. Du hast sie mitgenommen!” Fionn wirkte peinlich berührt. “Verzeih mir. Das Bild lag auf deinem Schreibtisch, als ich dich besuchte. Ich konnte es mir nicht verkneifen, ich wollte unbedingt etwas Persönliches von dir haben.” – “Das geht schon in Ordnung. Ich wünschte bloss, ich hätte gewusst, dass die Zeichnung bei dir ist.

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