Silbernes Band (German Edition)
prüfend auf ihren Oberschenkel. Sie hielt den Atem an, als er tastend unter den Rock ihres Kleides fuhr, dabei ihrer Arterie folgte. „Ich werde hier anfangen. Dein Gefährte möchte bestimmt gerne dabei zusehen. Vermutlich ärgert es ihn, weshalb er bisher nie den Mumm hatte selbst zuzubeissen. Wie bedauerlich, nicht wahr? Wo er doch bestimmt ständig davon träumt, dein Blut zu trinken.“
Die aufgestaute Panik musste sich Luft verschaffen. Ihr ganzer Körper begann unkontrolliert zu zittern, während George’s eisige Finger noch immer das Blut unter ihrer Haut befühlten. „Hör auf zu zittern!“ Die Hand schloss sich um ihren Oberschenkel, was ihr einen erstickten Schmerzensschrei entlockte. Begierig liess er den Zeigefinger über die Arterie in Richtung Knie gleiten. Der lange scharfe Fingernagel riss dabei eine breite Laufmasche in den feinen Seidenstrumpf und ritzte die Haut darunter auf. Rúna wusste, dass sie heute Nacht sterben würde.
Der schwedische Schrank
Drei Minuten und 48 Sekunden nachdem Rúna in Richtung Klo verschwunden war, hörte Heiðar ein verräterisches Rauschen. Er sprang vom Stuhl auf und stürmte, so schnell er es riskieren konnte, durchs Restaurant. Auf dem Flur roch es nach Baumwolle und stickiger Abendluft über den Sümpfen. Der Geruch vermischte sich mit dem Duft nach Lakritz und Kiefernnadeln. Sie waren zu Zweit! Ein tiefes Knurren wollte aus seiner Brust entweichen. Seine Gedanken wirbelten wild durcheinander, während er halb wahnsinnig vor Sorge die Treppe hinunterhetzte, die zur Toilette führte. Es war völlig aussichtslos, gleich gegen zwei Unsterbliche bestehen zu wollen, doch er würde ihnen Rúna auf keinen Fall kampflos überlassen! Vor den Toiletten stiess er auf Lakritz und Kiefernnadeln, in Gestalt eines blonden Hünen, der ihn brutal packte und zu Boden schleuderte. Er sprang gleich wieder auf die Füsse und warf sich mit ganzer Kraft gegen seinen Angreifer. Die riesigen Hände wehrten ihn mühelos ab und beförderten ihn mit Schwung erneut auf den Rücken. „Gib dir keine Mühe, du halbe Portion!“, zischte der Blonde auf Schwedisch, riss ihn vom Boden hoch und nahm ihn in den Schwitzkasten. Heiðar wurde grob gegen die Tür gestossen, hinter der man seine Rúna festhielt. Keine Chance, sich aus den kraftstrotzenden Armen zu winden, der Typ war mehr als eine Nummer zu gross. Der Drang seine Gefährtin zu befreien war alles, was Heiðar noch fühlen konnte.
„Lass mich los, du Schwein!“ – „Das würde dir so passen!“ Der schwedische Schrank lachte bloss hämisch, packte ihn noch etwas fester und schleifte ihn die Treppe hoch und auf die Strasse. „Wo ist denn Papas Autoschlüssel, mein Kleiner?“ Er griff in die Innentasche von Heiðars Jackett und nahm ihm die Wagenschlüssel ab. „Los, rein da. Du darfst fahren.“ Stellan schubste ihn zur Fahrerseite des Mercedes und zwang ihn einzusteigen. Bevor er richtig Platz genommen hatte, war sein Entführer um den Wagen herumgesaust und hatte sich auf den Beifahrersitz geschmissen. Der Schlüssel wurde ins Schloss gesteckt. „Fahr los!“ Heiðar überlegte fieberhaft, was er tun könnte, um Rúna zu retten. Man hatte sie bewusst getrennt, um sie noch mehr zu quälen. Hoffentlich brachte man sie an denselben Ort. Vielleicht konnte er sie dann befreien? Wenn er bloss seinen Vater um Hilfe bitten könnte!
Ein wunderbarer Plan
Der Maserati war auf dem Weg zur U-Bahn-Station Canary Wharf. Im Finanzdistrikt war an den Feiertagen nichts los, zudem war die Jubilee Line, an der die Station lag, wegen Unterhaltsarbeiten nicht in Betrieb. Das schlechte Wetter tat ein Übriges. Die Sterblichen blieben zu Hause in der warmen Stube, assen Truthahn-Sandwiches und sahen sich das Weihnachtsprogramm an. Der Sportwagen hielt in der Nähe des Canada Tower. „Steig aus!“ George drückte Rúnas Arm, bis es schmerzte, und schubste sie durch den Regen entlang der hochaufragenden Glaspaläste zur U-Bahn-Station. Von der futuristischen halbrunden Eingangskuppel führten mehrere Rolltreppen in die Tiefe. Davor lag ein grosser beleuchteter Platz - seine Bühne für die heutige Nacht. Dafür hatte er keine Mühen gescheut. Stellan musste auf sein Geheiss sämtliche Überwachungskameras manipulieren. Sie sendeten in Endlosschlaufe Bilder des friedlich schlummernden Platzes, kein Mensch würde die kommenden Grausamkeiten mitkriegen.
Rúna wurde über die freie Fläche geschleift. In den blöden Pumps konnte sie kaum
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