Silbernes Band (German Edition)
mutig an ihn.
“Schlaf gut, Rúna.” Auf die gälischen Zauberworte wollte er vorerst verzichten. Er legte vorsichtig den Arm um sie und vergrub sein Gesicht in ihrem Haar, um am Wollgras zu schnuppern. Sie schmiegte das Gesicht an seine nackte Brust und dachte noch einen Augenblick darüber nach, wie kühl er sich anfühlte und wie köstlich er roch, irgendwie nach Moos und auch nach Regen, und dass sie ja gar keine Kondome brauchten.
Ihr warmer Atem streifte seine Brust. Er konnte ihren Herzschlag spüren und wie ihr Blut durch den wunderschönen Körper floss. Sie hatte sich vertrauensvoll an ihn gekuschelt und hielt seinen Arm fest, als wollte sie verhindern, dass er wegging. Dies kam dem Himmel schon ziemlich nah, fand er. Natürlich hatte er sich vorhin gewünscht, mit ihr zu schlafen. Welcher Mann wohl nicht? Bestimmt wäre es ihm gelungen, sie zu verführen. Vermutlich würde er im Laufe der Nacht, aber spätestens morgen früh, wenn sie, herrlich warm und verführerisch duftend erwachte, auch wieder daran denken. Aber vorher musste sie wissen, was er war. Ihr sollte nicht im Nachhinein bewusst werden, dass sie sich mit einem Raubtier eingelassen hatte. So gesehen, dürfte er jetzt nicht mal hier neben ihr liegen. Bisher hatte er nie einen Gedanken an solche Dinge verschwendet. Er zögerte nicht lange, wenn er spürte, dass seine Partnerin ihn wollte, und genoss seine unverbindlichen Affären. Seine Freundinnen hatten sich auch nie beklagt, im Gegenteil.
Er fuhr im Takt der regelmässigen Atemzüge über ihren Rücken und streichelte sie in den Tiefschlaf. Ihr seidiges Haar verströmte einen betörenden Duft, der ihn in seine Träume begleiten würde, falls er überhaupt Schlaf fand. Sie hatte bemerkt, dass sein Herz langsamer schlug und dass seine Haut nicht so warm war wie bei einem Menschen üblich. Er musste ihr behutsam weitere Hinweise geben, hatte aber gleichzeitig Scheu, offen mit ihr darüber zu sprechen. Wie sagt man der Frau, die man liebt, dass man ein Monster ist? Darüber wollte er jetzt nicht nachdenken. Rúna murmelte seinen Namen und kuschelte sich noch näher an ihn heran. Er küsste sanft ihre Locken und liess sich endlich in den Schlaf mitnehmen.
Wie gewöhnlich erwachte er frühmorgens. Rúna lag noch immer geborgen an seiner Brust. Ihm war, als ob ein wunderschöner Traum andauerte, obwohl er jetzt ganz wach war. Snorri und Palli waren auch wieder zu Hause. Die beiden hatten das Stadium der Beziehung, in der Rúna und Heiðar waren, bereits hinter sich gelassen, das konnte er deutlich hören. Rúna drehte sich in seinen Armen um. Er strich ihr vorsichtig eine Locke aus dem Gesicht und drückte sich sanft an den warmen Körper. Den Arm legte er beschützend um sie, obwohl ihr im Moment keine grössere Gefahr drohte, als er selbst. Der Wunsch, sie vor allem Bösen zu bewahren, nahm allmählich überhand. Rúna brachte seine unsterbliche Seite heftiger zum klingen, als ihm lieb war. Er musste lernen damit umzugehen, schliesslich hatten sie beide ihr eigenes Leben, einen Beruf, Familie und Freunde. Er konnte nicht ständig in ihrer Nähe sein.
Um zwei Minuten nach Neun erwachte sie. Sie fühlte seinen langsamen Herzschlag am Rücken, so dicht hatte er sich an sie geschmiegt. Sein Mund tauchte aus ihrem Haar auf: “Guten Morgen Schlafmütze”, begrüsste er sie mit sanfter Stimme, aus der sie ein Lächeln heraushörte. Rúna reckte sich etwas, drehte sich zu ihm um und sah direkt in diese wunderschönen Augen. Er war bereits hellwach und grinste breit. Sie musste etwas die Augen zukneifen, versuchte dann ebenfalls ein Grinsen. “Wieso Schlafmütze, es ist doch erst Neun, ausserdem hab ich gestern gearbeitet!“ So ein langer Satz, gleich nach dem Aufwachen, das war eine überragende Leistung, fand sie. “Hübscher Pyjama, steht dir ausgezeichnet”, bemerkte er und strich demonstrativ über das Schäfchenmuster. “Den ziehe ich aber nicht aus, falls du das meinst”, warnte sie ihn. Er hob spöttisch die Augenbrauen: “Du erregst vermutlich ziemlich viel Aufsehen, wenn du so zur Arbeit erscheinst.” - “Blödmann, du weisst ganz genau, was ich meine, ausserdem muss ich jetzt aufs Klo und unter die Dusche – allein.” Sie wand sich aus seiner Umarmung, hüpfte schon bedeutend munterer aus dem Bett und verschwand schon wieder in Richtung Badezimmer.
Als sie eine Viertelstunde später in einen weissen Bademantel gehüllt ins Zimmer kam, verliess er taktvoll den Raum, nahm
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