Silicon Jungle
gern.«
»Danke. Das wird eine große Hilfe sein. Ich verspreche Ihnen, wenn ich das nächste Mal mit Atiq rede, sage ich ihm, wie hilfsbereit Sie waren. Übrigens, Stephen, ich will ja nicht drauf rumreiten, aber nach dem, was ich zuletzt gehört habe, stehen mittlerweile über eine Million Menschen auf mindestens einer Watch List in den USA . Eine Million, stellen Sie sich vor! ›Suspekte Personen‹, wissen Sie, was das heißt? Dass es okay ist, ihre Telefone anzuzapfen, ihre E-Mails zu lesen, sie zu überwachen und was man sonst noch alles ständig in den Nachrichten hört.«
»Das ist gruselig, zugegeben«, sagte Stephen in der Hoffnung, Sebastin würde sich nicht weiter in Rage reden. Doch er war noch lange nicht fertig.
»Und was meinen Sie, wie diese Leute auf die Watch List geraten sind?«, fragte Sebastin aufgeregt. »Vielleicht nicht, weil sie ein bestimmtes Kochbuch gekauft oder das falsche Familienmitglied angerufen oder die falsche Fernsehsendung geguckt haben. Aber was, wenn sie zufällig das falsche Buch gelesen und das falsche Familienmitglied angerufen haben? Oder wenn sie die falsche Fernsehsendung geguckt und zufällig eins von diesen Büchern bei Amazon bestellt haben? Und wenn sie in derselben Woche auch noch einen Flug gebucht haben, sieht’s ganz düster für sie aus. So was reicht nämlich schon. Wir müssen dem einfach einen Riegel vorschieben und die Sache öffentlich anprangern.«
»Ich helfe Ihnen da auf jeden Fall gerne. Ich weiß zwar nicht, von was für einer Liste Sie sprechen oder ob solche Listen wirklich existieren, aber wir können später noch mal ausführlicher über alles reden. Und jetzt fang ich erst mal mit der Bücherliste an, die Sie mir geschickt haben.«
»Prima. Wie Sie gemerkt haben, lass ich mich immer ein bisschen mitreißen. Das soll ja ein verbreiteter Charakterzug von Weltverbesserern sein, oder? Aber lassen Sie mich Ihnen eines sagen: Die Listen sind real, sie existieren. Und Sie können froh sein, dass Sie bisher noch nichts damit zu tun hatten.« Endlich holte er Luft. »Wie wär’s, wenn wir in einer Woche über die Ergebnisse reden? Wir würden die Leute, die Sie ausfindig machen, gerne so schnell wie möglich kontaktieren. Ich werde Atiq auf jeden Fall sagen, dass Sie genau der Richtige für dieses Projekt sind.«
Auch wenn Stephen nicht ganz sicher war, ob Sebastin wirklich wusste, wovon er redete, ob er ein Spinner oder ein Visionär war, seine Ziele waren auf jeden Fall anständig. Je mehr Leute von diesen Listen erfuhren, wenn sie denn existierten, desto besser für die Welt.
Stephen hatte gehofft, bei Ubatoo etwas wirklich Lohnenswertes machen zu können, aber mit so etwas hatte er nie im Leben gerechnet. Ihm selbst ging es hier gut – jetzt war es an der Zeit, auch für andere etwas Gutes zu tun, etwas Besseres jedenfalls, als leichtgläubige Massen zum Kauf von Diätpillen zu verführen.
PROBANDEN
10. Juli 2009.
Alles in allem hatte Molly, wenn sie die Kindergartenzeit mitzählte, von ihren siebenundzwanzig Lebensjahren schon vierundzwanzig mit irgendeiner Form von Ausbildung zugebracht (abzüglich das viel zu kurze Intermezzo im Friedenskorps). Nichts von dem, was sie in dieser Zeit gelernt hatte, hatte sie auf das hier vorbereitet: Molly brauchte eine Website.
Doch wie bei jeder anderen Aufgabe, die sie in Angriff nahm, hatte Molly sich genauestens mit der Materie befasst und festgestellt, dass jeder, der ein paar Tage Geduld aufbrachte und die Beharrlichkeit eines Pitbulls besaß, eine Website designen konnte, die auf seine Bedürfnisse zugeschnitten war und sogar einigermaßen gut aussah. Alle dafür notwendigen Tools waren online erhältlich, einschließlich bereits integrierter Diskussionsforen, und in weniger als einer Woche war EasternDiscussions.com einsatzfähig.
Nun machte sie sich an die Hauptaufgabe: die Seite mit motivierenden Inhalten füllen. Für ihre Forschungsarbeit brauchte sie Probanden. Falls es ihr gelang, User zu ködern, musste sie diese anschließend dazu verleiten, zu bleiben, mit anderen zu interagieren und häufig wiederzukommen. Sie musste einen Ort schaffen, an dem sich die Leute gern stundenlang aufhielten, um über Politik, Religion und andere kontroverse Themen zu diskutieren.
Wie alle, die nach Informationen suchen, hatte sie mit den Ergebnissen angefangen, die von der Ubatoo-Suchmaschine als Erstes angezeigt wurden. Sie suchte nach Begriffen wie »islamische Gruppen«, »Naher Osten
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