Silver - Erbe der Nacht (German Edition)
er ihn daran erinnerte, dass dein Vater sein Nachfolger werden würde. Niemanden von uns amüsierten seine Scherze und Darran hat sie jahrhundertelang ertragen müssen.
Sie wollten den Raum bereits wieder verlassen, als Dougall sich erneut umdrehte, weil er ein Flüstern hinter sich gehört hatte.
Der Mann der Familien ließ etwas in die ausgestreckte Hand Vaughans gleiten. Auf dem schwarzen Leder des Handschuhs glitzerte ein großer Rubin.
Dann verjagte Dougall sie aus dieser Erinnerung und Winter befand sich wieder im Labyrinth seines Geistes voller Geschehnisse, Orte, Personen. Sie kam sich vor wie am Ufer eines Flusses mit Hochwasser, das alles mit sich riss, viel zu schnell, als dass sie irgendetwas zu identifizieren vermochte.
Unvermittelt tauchte das Gesicht ihrer Mutter auf und sie griff danach, bevor es gleich wieder entschwand.
Durch die Fenster des Gebäudes fiel ein goldenes Licht, lieblich und warm. Die Luft duftete nach Frühling.
Morgan Blackwood saß hinter einem großen Schreibtisch, der mit Akten übersät war, und hielt ein Dokument in den Händen.
Seine Augen waren nicht mehr die glühenden Augen des Jungen, der soeben die Initiation erhalten hatte. Sie waren intensiv und besonnen, während sie auf der jungen Frau vor ihm ruhten.
»Mir wurde gesagt, ich solle mich an Sie wenden, Mr Blackwood«, verkündete Elaine Mitchell in entschlossenem Ton. »Wie ich bereits sagte, ich bin die Assistentin von Bethan Davies, und sie hat mir Ihren Namen genannt.«
Malcolm Dougall saß bequem auf einem Stuhl neben dem Schreibtisch, die Füße auf der Tischkante aufgestützt und mit einem Bündel Akten auf den langen Beinen.
»Du bist berühmt, Blackey«, kommentierte er belustigt und schwenkte ein Glas Scotch in der Hand, bis die Eiswürfel darin klimperten. Sein Blick schweifte zwischen den beiden hin und her und ruhte schließlich auf Elaines Gesicht.
Sie schien ihm viel zu jung zu sein für die Aufgabe, die ihr anvertraut worden war, viel zu zart, mit ihren noch kindlichen Gesichtszügen.
Sie hatte große grüne Augen und nach oben gebogene Lippen, die ihr einen sanften und lächelnden Gesichtsausdruck verliehen. Sie trug helle Jeans und ein schlichtes geblümtes T-Shirt, das überhaupt nicht zu der steifen Umgebung passte.
»Ich bin hier, um mit euch die Projekte der Schulintegration zu besprechen«, fuhr Elaine fort.
Ihr Ton war allerdings sicher und entschlossen.
Lass dich nicht täuschen von ihrem Aussehen, Doug , mahnte Malcolm sich selbst leicht amüsiert, diese junge Frau weiß genau, was sie will, und wahrscheinlich auch, wie sie es erreichen kann.
Winter stockte der Atem. Ihr ganzes Leben lang hatte sie sich gewünscht, etwas über ihre Eltern zu erfahren, und jetzt, wo der Moment endlich da war, spürte sie nur den Drang davonzulaufen.
Elaine und Morgan schauten sich schweigend an.
»Entschuldigen Sie«, sagte er schließlich. »Ich dachte, Mrs Davies würde sich darum kümmern.«
Das Mädchen beugte ganz leicht den Kopf, und das Licht verlieh ihren hellbraunen Haaren einen goldenen Schimmer. Ihre Schönheit war nicht auffällig, doch sie hatte etwas Gewinnendes an sich, dem niemand sich entziehen konnte.
»Ja, die Referentin ist Bethan«, antwortete sie mit einem strahlend weißen Lächeln, »doch die Verhandlungen mit Scarborough leite ich.«
Jetzt erst begriff Malcolm Dougall, was es war: Elaine Mitchell war mit Herzblut bei der Sache.
Da hast du etwas zu kauen, Blackey , dachte er bei sich.
»Einverstanden. Ich schlage vor, wir beginnen noch heute, daran zu arbeiten, Miss Mitchell«, meinte Morgan und lächelte zurück.
»Nennen Sie mich Elaine, bitte.«
Winter konnte die Antwort ihres Vaters nicht hören, weil die Zeit einen weiteren Sprung nach vorn machte. Dougall versuchte, sie aus seinem Kopf zu verscheuchen, und sie wehrte sich heftig, um den richtigen Erinnerungsfaden in den Fingern zu behalten.
Sie sah Bethan Davies, jünger und schlank, und sie erkannte erneut Lochinvar und Vaughan.
Dann sah sie, wie Morgan und Elaine sich verstohlen küssten.
Sie wurde der Erinnerung entrissen, doch bevor der Meister sie endgültig zurückweisen konnte, konzentrierte sie sich auf die Vorstellung, in den Fluss seiner Erinnerungen abzutauchen.
»Ich muss mit dir sprechen, Doug.«
Morgan schritt in dem Zimmer auf und ab, sein Gesichtsausdruck war verstört. Dougall hatte ihn noch nie so verängstigt gesehen und der Grund war ihm mehr als klar.
»Setz dich«, sagte er mit
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