Siras Toten-Zauber
daß sie Suko riesengroß vorkam und beinahe dessen gesamtes Gesichtsfeld abdeckte.
Die Pranke mit der auf-und eingerissenen Innenhaut klatschte dagegen, ohne daß Suko den Aufprall gehört hätte. Das dicke Panzerglas schluckte einfach alles.
Daß sie nicht grundlos erschienen waren, konnte er sich vorstellen. Aber wer hatte sie geschickt und ihnen womöglich befohlen, sich auf eine derartig ungewöhnliche Art und Weise zu bewegen, denn sie glitten an der Wand entlang, ohne diese loszulassen. Und sie schmierten über das Glas mit ihren hellen, teigigen Pranken hinweg, die manchmal zusammengedrückt wurden wie frischer Pudding.
Was lief hier ab?
Die beiden Untoten — Suko ging jetzt davon aus, daß es sich um Zombies handelte — zogen sich plötzlich zurück. Sie stemmten sich dabei noch einmal ab, nutzten den Schwung aus, um sich zu drehen und traten nach rechts und links ab.
So wie sie gekommen waren, verließen sie den Lichtschein auch wieder und waren nicht mehr zu sehen.
Nur die beiden Leuchter mit den brennenden Kerzen hatten sie zurückgelassen.
Deren Flammen gaben genügend Licht, um es an den Regalfächern in die Höhe steigen zu lassen. Suko sah die hochkant gestellten Palmblätter und hätte für sein Leben gern einige in die Hand genommen, um zu versuchen, die geheimnisvollen Schriftzeichen, mit denen die Blätter beschrieben waren, zu entziffern.
Wenn er Zeit hätte und sich mit dem System der Eingruppierung vertraut gemacht hätte, wäre er bei den Palmblättern auf bekannte Namen gestoßen.
Möglicherweise auf seinen eigenen oder auf den seines Freundes John. Vielleicht war auch Bill Conolly vertreten oder Jane Collins. Wer konnte schon sagen, ob das Schicksal noch einmal den Weg für die Personen nach Indien freihielt.
Hinter der Glaswand tat sich nichts. Nur die Flammen brannten weiter, und sie stachen in einer nahezu stoischen Ruhe in die Höhe. Sie gaben der Regalwand ein geheimnisvolles Flair und schienen sie gleichzeitig mit einem geisterhaften Leben überschütten zu wollen. Alles war so anders geworden, nur bei Suko hatte sich nichts verändert. Hinter der Glaswand und an die Regale kam er nicht, das hatte er längst eingesehen. Allerdings fragte ersieh, aus welch einem Grund man die Kerzen dorthin gestellt hatte. Wollte man ihm etwas von einer gewissen Macht zeigen und ihm gleichzeitig klarmachen, daß er nie in der Lage sein würde, an die geheimnisvollen Blätter heranzukommen?
Es passierte dort etwas.
Zuerst sah Suko, wie sich die drei Flammen des rechts von ihm stehenden Leuchters bewegten. Das Zucken sorgte automatisch dafür, daß Suko seinen Kopf in die bestimmte Richtung drehte. Es war kein normaler Wind, der die Flammen in Bewegung gebracht hatte, sondern ein Luftzug, der entstand, als eine hellgekleidete Frau den Raum hinter der Glasscheibe betrat wie eine Bühne.
Sie trug ein langes, schneeweißes Gewand, das mit seinem breiten Saum ihre Knöchel umspielte. Von ihrem Gesicht war nichts zu erkenen, denn sie hatte es mit einer Maske bedeckt, die aussah wie gelblichbrauner Kork und in deren Mitte sich die Züge eines Gesichts abzeichneten. Obwohl Suko durch die panzerdicke Glasscheibe von der geheimnisvollen Person getrennt war, konnte er sich der Faszination dieser ungewöhnlichen Maske nicht entziehen. Von ihr strahlte etwas ab, für das auch die Scheibe kein Hindernis bildete.
Suko dachte darüber nach, wie er diese Botschaft verarbeiten sollte, doch es waren einfach zu wirre Strömungen und Gedanken, die ihn überfielen.
Wer diese Person war, wußte er. John Sinclair hatte ihm Sira Munro beschrieben und das in diesem weißen, langen Kleid, das sie nicht gewechselt hatte.
Sie gab sich ungemein sicher. Nichts Zögerliches merkte Suko ihren Bewegungen an.
Sic herrschte!
Suko war wieder dichter an die Scheibe herangetreten. Er wußte, daß Sira ihm bald ihr Gesicht zeigen würde - und hatte sich nicht getäuscht, denn ihr rechter Arm sank nach unten.
Mit ihm auch die Maske!
Leuchtete ihr Gesicht? Drang die Strahlung möglicherweise aus dem Innern? Es kam Suko so vor, denn niemals hatte er eine derart helle Gesichtshaut bei einem Menschen gesehen. So wie Sira hier vor ihm stand, war sie einfach etwas Besonderes, obwohl sie aussah wie ein normaler Mensch aus Fleisch und Blut.
Da waren dunkle Augen, deren Pupillen voller Geheimnisse zu stecken schienen. Da schaute Suko auf den Mund mit seinen breiten geschwungenen Lippen, da sah er die prachtvollen schwarzen Haare,
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