Siren of the Seas 01 - Meer der Sehnsucht
lachten und redeten.
Geoffrey Lambert wandte sich an Riordan. „Ich habe mein ganzes Leben lang mit Seeleuten zu tun gehabt", erklärte er. „Daher weiß ich, wie sehr die langen, einsamen Nächte an Bord das Verlangen eines Mannes ins Unermessliche steigern können, so dass er womöglich die Regeln der guten Sitten, wie sie an Land gelten, gelegentlich missachtet."
„Ja." Riordan löste den Blick von Ambrosia und schaute Geoffrey an.
„Ich könnte und würde es einem Mann nicht verdenken, wenn er sein Herz an eine meiner Enkelinnen verlöre." Geoffrey sprach ruhig und ohne Hast, doch Riordan hörte einen harten Unterton aus den so freundlich vorgebrachten Worten heraus.
„Ich könnte sogar verstehen, wenn ein Mann wegen einer meiner Enkelinnen den Verstand verlöre. Aber wenn es einem Mann einfallen sollte, einem der Mädchen das Herz zu brechen, würde ich genauso wenig Rücksicht kennen wie der Hai, an den Newton sein Bein verlor."
Riordan nickte. „Etwas anderes hatte ich von dir auch nicht erwartet."
Lächelnd klopfte Geoffrey ihm auf die Schulter und ging dann auf die beiden älteren Damen zu, die unter einem Baldachin Schutz vor der Sonne gefunden hatten. Erfreut rückten sie einen Stuhl für den alten Herrn zurecht und boten ihm eine Tasse Tee an.
Riordan konnte sich des Verdachts nicht erwehren, dass Geoffrey sich immer dann, wenn es ihm als vorteilhaft erschien, hinfällig und schwerhörig gebärdete. In Wirklichkeit jedoch verfügte er über einen wachen Geist, konnte wahrscheinlich hervorragend hören und stellte sicher, dass ihm nichts entging.
„Schiff hinter uns an Backbord", rief Darcy aus luftiger Höhe. „Ein Schiff ohne Flagge."
Alle wandten sich zu Riordan um, der noch immer das Ruder hielt. „Sie sind noch ziemlich weit entfernt. Wir warten ab, bis wir genau erkennen können, mit wem wir es zu tun haben.
Bis dahin spielen wir einfach wieder die Familie, die einen Segelausflug unternimmt."
„Aber wenn es sich um Piraten handelt, Riordan", wandte Ambrosia ein, „haben wir doch ohne unsere Waffen nicht die geringste Chance gegen sie." Beifall heischend sah sie ihre Schwestern an, die zustimmend nickten.
„Sollte es sich tatsächlich um ein Piratenschiff handeln, ha ben wir die auch mit Waffen nicht", erwiderte Riordan geduldig. „Uns bleibt keine Wahl, als erneut die Charade vorzuführen."
Während sich die Frauen unter Deck begaben, um sich umzukleiden, richtete Riordan das Wort an Newton. „Du übernimmst das Ruder", bestimmte er.
„Sehr wohl, Capt'n."
Riordan machte sich auf die Suche nach Waffen. Obwohl er es im Moment noch für zu riskant hielt, sein Schwert öffentlich zu tragen, entschied er sich doch dafür, wenigstens je ein Messer in seinem Hosenbund und einem seiner Stiefel zu verbergen.
Kurz nacheinander tauchten auch die drei Schwestern wieder auf. Sie hatten sich in Windeseile umgezogen, und Ambrosia war nun ganz in Violett gekleidet, Bethany in Blau und Darcy in Gelb. Sie waren wunderhübsch anzusehen, wie sie ihrem Großvater in seinen vornehmen Gehrock halfen und sich unter dem Baldachin um ihn scharten. Mistress Coffey kümmerte sich um den Tee, und Miss Mellon saß still neben ihr.
Riordan hob das Fernglas an die Augen und beobachtete aufmerksam das sich schnell nähernde Schiff. Es schien recht neu zu sein und ungefähr zwei Mal so groß wie die Sea Challenge. An Bord bewegten sich viele Matrosen, und Riordan schätzte, dass sie ihnen zahlenmäßig um das Zehnfache überlegen waren.
Als das fremde Schiff nah genug herangekommen war und Einzelheiten zu erkennen waren, glaubte Riordan, das Blut müsse ihm in den Adern gefrieren.
Ambrosia blieb sein Entsetzen nicht verborgen, und sie stellte sich umgehend neben ihn.
„Was ist, Riordan? Was siehst du?"
Seine Stimme war von so viel Wut und Verachtung erfüllt, wie sie es nie für möglich gehalten hätte. Sein körperlich spürbarer Zorn jagte ihr beinahe Angst ein. „Ich erkenne das Gesicht eines Mannes", stieß er hervor, „dessen Züge ich jede Nacht in meinen Albträumen sehe. Das Gesicht des Mannes, der deinen Vater und deinen Bruder tötete. Sein Name lautet Eli Sledge, der Pirat."
Sekundenlang schienen alle wie erstarrt. Doch dann begann Riordan, Befehle zu brüllen.
„Wir können den anderen nicht entkommen. Und sie sind uns zahlenmäßig überlegen. Aber du und deine Familie, Ambrosia, könntet möglicherweise im Beiboot Rettung finden."
Er wandte sich zum Gehen, doch Geoffrey
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