Skandalöse Küsse - Scandal Becomes Her
den Degen schlaff in der Hand, und erwiderte: »Glück hatte damit nichts zu tun, Mylord. Können ist das richtige Wort.«
»Gewiss. Glauben Sie, was Sie wollen.« Julian blickte in die Runde. »Tynedale kann nicht weiterkämpfen. Das Duell ist beendet.« Damit kehrte er Tynedale den Rücken und ging zum anderen Ende des Zimmers zurück.
Zu sehen, wie sein Feind sich von ihm entfernte, zu wissen, dass all seine Pläne und Träume sich nicht erfüllen würden, es sei denn, Wyndham stürbe, raubten Tynedale den Verstand. »Nein!«, schrie er. »So endet es nicht!«
Er überraschte alle und schüttelte die Hände seiner Sekundanten ab, stand schwankend in der Mitte des Zimmers.
Julian drehte sich wieder zu ihm um; sein kalter Blick glitt
über Tynedale. »Selbst das Verlangen, Ungeziefer wie Sie zu vernichten, kann mich nicht dazu bringen, einen Mord zu begehen.« Verachtung troff aus seiner Stimme und aus jeder seiner Bewegungen, als er sich wieder umwandte und weiterging.
Tynedale stieß einen erstickten Schrei aus und stürmte hinter Julian her. Es war offenkundig, dass Tynedale in seinem Wahn vorhatte, Julian seine Klinge in den ungeschützten Rücken zu rammen.
Ein entsetztes Keuchen entschlüpfte den erschreckten Zuschauern, und Charles und Marcus machten gleichzeitig einen Satz nach vorne, Charles rief: »Julian, hinter dir!«
Julian wirbelte herum und ließ sich auf ein Knie fallen, wehrte Tynedales Angriff ab und stieß seinen Degen geradewegs in dessen Herz. Mit Julians Klinge in der Brust stolperte Tynedale rückwärts, seine Augen ungläubig aufgerissen. Seine eigene Waffe fiel zu Boden; er versuchte zu sprechen, brach zusammen und war tot.
Julian stand über Tynedales Leiche gebeugt und starrte ihn benommen an, wunderte sich, dass er so gar nichts empfand. Er hatte gedacht, mit Tynedales Tod würden der Schmerz und die Verzweiflung über Daniels Selbstmord schwinden, aber das geschah nicht. Sogar das Wissen, dass Tynedale Nells Entführung teuer bezahlt hatte, brachte ihm keine Befriedigung. Es gab kein Hochgefühl, dass er seinen Feind besiegt hatte, noch nicht einmal Befriedigung oder Erleichterung, dass er seinen Schwur am Ende doch gehalten und Daniel gerächt hatte. Er verspürte nur eine große Müdigkeit und das mächtige Verlangen, Nell zu sehen, sie in seinen Armen zu halten und ihren weichen Körper an seinem zu spüren.
Alle Anwesenden schienen mit einem Mal aus ihrer Erstarrung zu erwachen, Stimmengewirr wurde laut, einige Herren
traten zu Julian, um ihm zu gratulieren; andere schüttelten ihre Köpfe und murmelten schlimme Prophezeiungen, beklagten den Verfall von Sitte und Anstand bei den jungen Leuten heute … und es vergingen einige Minuten, ehe wieder Ruhe einkehrte. Schweigend verfolgten alle, wie Tynedales Leichnam aus dem Raum geschafft wurde. Es stand außer Frage, dass sein Tod gerechtfertigt war, und Julian brauchte nicht zu befürchten, dass sich für ihn irgendwelche üblen Folgen aus den Ereignissen dieses Abends ergeben würden.
Doch zu viele Gentlemen hatten das Duell mit angesehen, um es geheim zu halten, und Julian wusste genau, dass er nie alle zum Schweigen verpflichten konnte. Es würde Klatsch und Gerüchte in Hülle und Fülle geben … Nun, das ließ sich nicht ändern. Er würde, beschloss er müde, wohl einfach damit fertig werden müssen.
Es verging einige Zeit, ehe der Raum wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt war. Aber schließlich waren alle Spuren davon getilgt, dass auf dem Teppich, der wieder unter Mrs. Westons langer Mahagoni-Tafel lag, ein Duell mit tödlichem Ausgang stattgefunden hatte. Julians Verwundung wurde unter Zungeschnalzen und leisem Schelten von Dr. Coleman gereinigt und verbunden; Marcus half ihm in seine Weste und seinen Rock. Charles brachte seine Krawatte mit ein paar geübten Kniffen wieder in Ordnung.
»Eine üble Geschichte«, sagte Squire Chadbourne kurz darauf zu ihm, während sich einige der Herren um ihn scharten. »Eine sehr üble Geschichte.«
Julian nickte. »Das lässt sich nicht leugnen, und ich bin auch nicht stolz auf meine Beteiligung daran.«
Lord Beckworth schnaubte abfällig. »Aber Sie wollten ihn doch töten, oder?«
»Wenn das Schicksal mir gesonnen wäre«, erwiderte Julian.
»Nun, Sie können von Glück sagen, dass Sie nur mit einem Kratzer davongekommen sind«, bemerkte Coleman ernst. »Ich hoffe doch, dass Sie meinen Rat befolgen und Ihren Arm trotzdem ein paar Tage schonen.« Ein
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