Skandalöse Küsse - Scandal Becomes Her
unbestritten eine gute Partie für sie, aber im Großen und Ganzen fand er, dass die Herren alle miteinander ein wenig zu alt waren für seine Stiefschwester.
Eine Gelegenheit, Charles darauf anzusprechen, ergab sich während der letzten Aprilwoche. Die Cousins hatten sich früh am Morgen zu einem Ausritt verabredet, aber Raoul und Marcus hatten sich entschuldigt, sodass Julian und Charles alleine übrig blieben. Der Morgen war schön, die Sonne schien warm und angenehm, die Bäume trugen sattgrüne Blätter, Wildblumen überzogen die Wiesen in jeder nur denkbaren Farbe und Vogelgezwitscher füllte die Luft. Julian genoss es, aber er war abgelenkt, überlegte, wie er das Thema Elizabeth anschneiden sollte. Erst als sie auf dem Weg zurück zum Haus waren, überwand Julian sich und sprach es an.
Ohne Umschweife fragte er: »Bist du eigentlich ernsthaft an meiner Stiefschwester interessiert?«
Charles zügelte sein Pferd und schaute Julian stumm an.
Julian wurde rot. »Nun, was sonst soll ich denn denken? Um diese Zeit im Jahr bist du sonst immer zurück in deinen gewohnten Jagdgründen in London, aber jetzt bist du immer noch auf dem Land, und wenn ich mich nicht sehr irre, Teil des Hofstaats, den meine Stiefschwester um sich schart. Ich weiß, dass es mehrere andere junge Burschen aus der Gegend gibt, die ihr ihre Aufwartung machen, aber du, Raoul und Chadbourne scheinen die Hauptrivalen um ihre Gunst zu sein.«
»Hm, ja, das ist mir auch aufgefallen«, sagte Charles und drängte sein Pferd wieder vorwärts. »Ich glaube, Raoul und Pierce sind zu alt für sie, du nicht? Sie ist jetzt wie alt? Siebzehn?« Er warf Julian einen listigen Blick zu. »Oder meinst du, sie schlägt ihrer Mutter nach und bevorzugt ältere Männer? Was mich daran erinnert, wie siehst du die Sache - wird Lady Diana dieses Jahr noch Lady Beckworth werden?«
Das war wieder typisch Charles, dachte Julian halb verärgert, halb belustigt, seine Frage mit einer Gegenfrage zu beantworten und dann das Thema zu wechseln. »Wenn man meiner Frau glaubt«, räumte Julian ein, der wusste, dass es sinnlos war, mehr von seinem Cousin zu erwarten, »wird es wahrscheinlich eine Herbsthochzeit werden.«
»Ah, ja, das dachte ich mir schon - er macht ihr recht offensichtlich den Hof, und sie verrät keine Anzeichen, ihn zurückweisen zu wollen. Bist du damit zufrieden?«
Julian nickte. Nachdem er sich mit dem Gedanken abgefunden hatte, dass seine Stiefmutter vielleicht Lord Beckworth heiraten würde, hatte er festgestellt, dass er mit der Wendung der Ereignisse mehr als zufrieden war - er war begeistert. Beckworth war ein guter Mann. Beständig. Verlässlich. Eindeutig vernarrt in Lady Diana. Und dessen Herzensdame schien dieser Tage von innen zu strahlen, wie er es bei
ihr schon lange nicht mehr gesehen hatte … nicht seit dem Tod seines Vaters. Ja, Julian war zufrieden. Es gab in letzter Zeit eigentlich nur wenig, das ihm nicht gefiel. Er war mit einer Frau verheiratet, die ihn liebte und die er anbetete; er würde innerhalb weniger Monate Vater werden, und die Sorge und Verantwortung für seine Stiefmutter und Stiefschwester würden von seinen Schultern genommen werden. Ein Lächeln trat auf seine Lippen. Und so bleibt mir, dachte er froh, genug Zeit, mich ganz meiner Frau und unserem Kind zu widmen.
Es gab nur eine dunkle Wolke an Julians sonst klarem Himmel: den Schattenmann. Während der Zeit nach Tynedales Tod hatten er und Marcus pflichtbewusst alle in Frage kommenden Standorte für den Kerker abgesucht, wobei man ihnen oft genug mit hochgezogenen Augenbrauen und prüfenden Blicken begegnet war. Die Kerker unter Stonegate zu sehen zu bekommen war am schwierigsten gewesen, und Julian wusste genau, dass Charles ihnen nicht eine Minute lang Marcus’ Geschichte abgekauft hatte. An dem Nachmittag der Besichtigung war Charles der perfekte Gastgeber, und während Mrs. Weston sie zwar in die hintersten Ecken des Kerkers begleitet hatte, war sie doch reserviert geblieben, und es war offensichtlich, dass sie immer noch sehr verärgert war wegen des Duells auf ihrer Abendgesellschaft. Raoul, der sie wohl für verrückt hielt, hatte sich hastig entschuldigt und war gegangen. Natürlich wiesen die Kerker unterhalb Stonegate keinerlei Ähnlichkeit mit denen in Nells Albträumen auf, und soweit es den Schattenmann betraf, war das einzig Gute, was Julian sagen konnte, dass Nell keine weiteren Albträume mehr gehabt hatte - und auch John Hunter hatte keine
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