Skin Game 02 - Verhängnisvoller Verrat
über sich ergehen lassen. Aber während dieser Zeit schlich Dr. Rowan im Labor herum und beobachtete sie über die Kamera. Ihr Bad hatte eine Tür, die sich aber nicht abschließen ließ. Im Grunde blieb ihr keine Privatsphäre. Manchmal setzte sie sich in die Duschkabine und tat, als wäre sie allein. Wenn sie aber zu lange dort blieb, kam ein Pfleger, um nach ihr zu sehen.
Inzwischen hatte sie es besser als früher. Ihre Räume waren so etwas wie ein kleines Apartment, und sie hatte sich die Wandfarben und Möbel aussuchen dürfen, damit sie sich nicht wie im Gefängnis fühlte. Nicht, dass das an der Realität etwas änderte.
Aber wenigstens gab es hier keinen Beobachtungsspiegel mehr. Früher hatte man von einem angrenzenden Raum aus durch die einseitig verspiegelte Scheibe sehen und sie beobachten können wie ein Tier im Zoo. Sollte sie je das Glück haben, aus diesem Labor zu entkommen, würde sie sofort einer Tierschutzorganisation beitreten. Doch die Aussicht auf Freiheit schien in noch weitere Ferne gerückt zu sein.
Ihre wenigen Erinnerungen an die Außenwelt verblassten immer mehr. Im Fernsehen trugen die Leute andere Sachen als damals, und andere Autos fuhren sie auch. Die Modelle waren aerodynamischer und bestanden mehr aus Glasfaserstoff, weniger aus Blech. Das alles wusste sie nur aus Büchern, Zeitschriften und Fernsehsendungen. Darin lebte sie tausend fremde Leben, aber nie ihr eigenes.
Inzwischen konnte sie nicht einmal mehr genau sagen, wie alt sie war. Die Tage gestalteten sich alle gleich. Mittwochs wurden die Lebensmittelvorräte in ihrer Küche aufgefüllt, was ihr das Gefühl geben sollte, sie hätte eine gewisse Entscheidungsfreiheit. In Wirklichkeit war ihre Ernährung reguliert. Man ließe sie kein dickes, fettes Baconsandwich zubereiten, wenn sie eines wollen würde, oder Brötchen mit Bratensoße. Sie hatte auch keine Freunde, nur Kontakt zu dem Pflegepersonal.
Nachdem sie zum ersten Mal zur »Behandlung« geholt worden war, hatte sie sich gewundert, womit sie das verdiente. Als Kind hatte sie Gott diese Frage gestellt. Inzwischen erwartete sie von dem keine Antworten mehr. Böse Leute taten böse Dinge und kamen ungestraft davon.
Außer im Fernsehen.
Das Geplapper aus dem Apparat war tröstlich, und sie konnte sich bei der Geräuschkulisse leichter entspannen. Im Großen und Ganzen schlief sie am Tag besser. Nachts war sie meist nervös und ängstlich, als läge es in der Luft, dass Böses geschah.
Rowan hatte etwas an sich, das sie misstrauisch machte, vielleicht lag es an dem Besitzerstolz, der in seinen Augen stand, wenn er sie untersuchte. Sie hatte sich daran gewöhnt, dass die Ärzte häufig wechselten; etwas anderes war auch nicht zu erwarten. Nur Rowan schien leider zu bleiben.
Um Viertel vor sechs klopfte er an ihre Tür. Eine reine Förmlichkeit, denn es war nicht abgeschlossen, und sie wäre nicht in der Lage, ihn erfolgreich abzuweisen. Als Herr dieser Unterwelt konnte er tun und lassen, was er wollte, darum nannte sie ihn Hades, zumal sie seinen Vornamen nicht kannte. Das weckte zwar die unangenehme Assoziation, sie selbst sei die Persephone, aber es war ja nicht so, als könnte sie das Essen verweigern, das man ihr gab.
»Du schläfst gar nicht«, sagte er zur Begrüßung. »Soll ich dir Tabletten geben?«
Ja, noch mehr Tabletten – genau das, was ich brauche.
Sie schüttelte hastig den Kopf. »Nein. Ich bin nur aufgewacht, weil ich ins Bad musste. Es geht mir gut.«
Rowan konnte nicht ihre Gedanken lesen. Er wusste nicht, wann sie log, es sei denn, es gab Ungereimtheiten. Sie glaubte aber nicht, dass er sie die ganze Nacht lang beobachtet hatte, obwohl er das manchmal tat. Seine eindringliche Art ließ bei ihr alle Alarmglocken schrillen, doch es würde ihr niemand zu Hilfe kommen, wenn sie schrie.
An diesem Morgen hatte er wieder dieses obszöne Funkeln in den Augen, es verriet ihr, dass er jemanden getötet hatte. Wahrscheinlich fiel das außer ihr niemandem auf. Rowan ließ sich seine Euphorie nicht anmerken, aber sie hatte keinen Zweifel daran, dass ihn ein Gefühl der Macht durchströmte, während er sie jetzt musterte.
Stellte er sich vor, ihr die Kanüle in die Haut zu stechen und sie festzuhalten, während sie zitternd in seinen Armen mit dem Tod rang? Sie wusste, was in den dunklen, stillen Räumen vor sich ging. Im Gegensatz zu den anderen antwortete Silas ihr, wenn sie etwas fragte, so hatte sie von den schreienden Frauen und von den Verstummten
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