Snapshot
gesagt.«
In Nareys Kopf schwirrten noch unzählige Fragen herum, doch Pamelas Nerven lagen offensichtlich blank. Sie konnte die Kleine nicht mehr umstimmen, und auch so hatte sie jetzt viel mehr in der Hand als zuvor. Sehr viel mehr, dachte sie.
Joanne meinte, sie würde Pamela nach Hause fahren, wohlgemerkt ohne Narey zu verraten, wo das war. Narey zahlte den Kaffee und ließ die beiden sitzen. Sie sah, wie Joanne ihre Hand auf Pamelas Hand legte, doch der verstörte Gesichtsausdruck des Mädchens ließ erahnen, dass es etwas mehr brauchen würde, um es zu beruhigen.
Die Tür des Criterion fiel hinter Narey ins Schloss, der kühle Wind, der am Nachmittag aufgekommen war, schlug ihr entgegen. Im ersten Moment wollte sie Addison anrufen, um ihn über die neuen Entwicklungen zu informieren– als sie sich daran erinnerte, dass das Arschloch sie mit dem Fall sitzen gelassen hatte. Damit war sie die Chefin, und Addison konnte sie mal kreuzweise. Sollte er sich doch um die Sache in Harthill kümmern. Ihr war hier gerade ein Durchbruch gelungen.
Zurück am Tolbooth fand sie einen Strafzettel hinterm Scheibenwischer. Sie fluchte. Was das wieder für einen Papierkrieg geben würde, das Ding zurückziehen zu lassen. Aber scheiß drauf, dachte sie sich, es hatte sich gelohnt. Sie stieg ein, wendete und stürzte sich Hals über Kopf in den Verkehr Richtung George Street, um von dort aus zur Stewart Street zu gelangen. Verdammt, was war denn heute wieder los? Der Verkehr war noch schlimmer als sonst, und bald bewegte sich überhaupt nichts mehr, während aus der Gegenrichtung kein Mensch kam. Was zur Hölle…
Als sie weiter vorne blinkende Lichter sah, sowohl blaue als auch rote, stellte sie den Wagen zum zweiten Mal an diesem Nachmittag in der nächstbesten Lücke ab, diesmal in einem doppelt gestreiften Halteverbot, und machte sich zu Fuß auf den Weg. Je näher sie dem George Square kam, desto klarer wurde ihr, dass dort die Kacke am Dampfen war.
Sie zog das Handy aus der Tasche, rief das Hauptquartier in der Stewart Street an und fragte, was los war. Während sie der Antwort lauschte, tauchte der alte rote Platz vor ihr auf. Narey traute ihren Augen nicht.
16
Fünfzehn Minuten bevor Narey am George Square eintraf, war der weiße Lieferwagen auf dem Platz abgestellt worden, zehn Minuten später begann es zu schneien. Als sie hörte, was die Stewart Street zu sagen hatte, rannte sie die letzten paar Hundert Meter zur Politbüro-Pracht der City Chambers.
Rund um den George Square hatten sich bereits massenhaft Schaulustige versammelt. Manche waren shoppen gewesen, andere kamen aus dem Büro. Narey musste abwechselnd die Ellenbogen ausfahren, lauthals schreien und ihren Polizeiausweis schwenken, um sich einen Weg durch die Menge zu bahnen. Bald entdeckte sie zwei Löschzüge und daneben einen Kreis aus Kollegen in gelben Schutzwesten. Sie beschleunigte ihre Schritte.
An der nächsten Ecke stand ein uniformierter Inspector, redete in ein Walkie-Talkie und sah dabei aus, als würde er sich gleich in die Hose machen oder irgendjemandem ins Gesicht schlagen. Narey marschierte geradewegs auf ihn zu und versuchte, sich seinen Namen ins Gedächtnis zu rufen. Benson, Bett, so was in der Art.
Als der Typ sie bemerkte, wanderten seine Augen erst mal genüsslich an ihrem Körper hinab. Ihr kam das Kotzen. Wichser, dachte sie. Aber wie hieß der Widerling noch mal?
» Inspector?«, fing sie an. » Ich bin DS Narey. Ich…«
» Ich weiß schon, wer Sie sind, Sergeant, aber ich bin grad ziemlich beschäftigt. Was ist?«
» Wir müssen annehmen, dass dieser Vorfall im Zusammenhang mit laufenden Ermittlungen des CID steht. Deshalb sagen Sie mir jetzt, was hier los ist.«
» Ach wirklich? Und welcher Fall soll das sein?«
» Die Morde an Cairns Caldwell und Malcolm Quinn. Davon haben Sie ja wohl gehört.«
Zufrieden beobachtete sie, wie der Inspector die Augen aufriss und sichtlich an Farbe verlor. Anscheinend hatte er kapiert, was sie da gesagt hatte.
» Unsere Zeugen meinen, der Lieferwagen ist von der Queen Street hergekommen«, antwortete er dann. » Er ist von der Straße runter auf den Platz gefahren und da drüben stehen geblieben. Keiner weiß, wo der Fahrer hin ist, aber angeblich ist er sofort weggerannt, nachdem er das Zeug da aufgestellt hatte. Die Benzinkanister haben Sie gesehen?«
Narey nickte. Dicht nebeneinander, etwa sechs Meter neben dem Lieferwagen, befanden sich zwei grüne Kanister. Der Lieferwagen
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