So bloody Far (German Edition)
aus. Songlian nutzte den Moment, um das Wort zu ergreifen:
„Wenn wir Sie in Verlegenheit gebracht haben, tut es uns leid. Far wollte nur einmal einen kurzen Blick auf sein Elternhaus werfen. Sie verstehen sicherlich, dass daran viele Erinnerungen hängen.“
Ein wenig zögernd streckte ihnen Mrs. Harsen die Hand entgegen. „Mary Harsen.“
„Songlian Walker“, stellte sich der vor. Mrs. Harsen reichte auch Far die Hand.
„Sie haben mich tatsächlich etwas überrascht. Sind Sie wirklich Far Baxter?“
Far zog seinen Dienstausweis aus der Tasche und reichte ihn weiter. Mrs. Harsen warf einen prüfenden Blick darauf, ehe sie den Ausweis zurückgab.
„Sie sind also bei der SEED.“
„Aye. Sie verstehen sicherlich, dass ich an dem Job ein persönliches Interesse habe.“
„Und was kann ich nun für Sie tun?“
Far antwortete nicht, sondern starrte an ihr vorbei in die Küche.
„Unsere Bitte ist sicherlich ziemlich unverschämt“, sagte Songlian. „Aber dürften wir uns vielleicht fünf Minuten lang bei Ihnen umsehen, damit Fars Erinnerungen an dieses Haus einem deutlich freundlicheren Eindruck weichen können?“
„Mein Mann ist noch nicht wieder zurück …“
„Fünf Minuten. Bitte!“
„Songlian, komm. Das können wir nicht verlangen.“ Far wandte sich bereits zum Gehen, als Mrs. Harsen nachgab.
„Also gut. Kommen Sie rein.“
Songlian strahlte sie freudig an und schubste Far regelrecht durch die Tür.
„Vielen Dank“, sagte er, während sich Far bereits in der Küche umsah. Mrs. Harsen nickte nur.
„Hier hast du deine Mutter gefunden, aye?“, fragte ihn Songlian leise. Far nickte knapp, trat in einen schmalen Flur und öffnete die Tür zum Wohnzimmer.
„Und hier meinen Dad. Er hat in seinem Sessel dort an der Wand gesessen. Der Fernseher mit seinem Kopf darauf stand gegenüber.“ Far starrte in das modern und freundlich eingerichtete Zimmer. Keine Spur von Blut und Gewalt. Kein Gestank nach totem Fleisch. Stattdessen Hundespielzeug vor einem Korb und frische Blumen auf dem Tisch. An den Wänden, die damals mit blutigen Smileys bemalt gewesen waren, hingen nun Bilderrahmen mit den Fotos lächelnder Familienangehöriger und ein großes Aquarell mit einer Strandlandschaft. Mrs. Harsen knetete unbehaglich ihre Hände.
„Als wir das Haus übernommen haben, war es vollständig renoviert. Es soll schlimm ausgesehen haben.“
Das hatte es, und heute war davon nichts mehr zu bemerken. Die Zimmer wirkten so harmlos auf Far, dass er sich diesen furchtbaren Abend vor vielen Jahren auch nur eingebildet haben konnte. Befand er sich wirklich im selben Haus?
„Dort drüben geht es ins obere Stockwerk. Aber das wissen Sie ja.“
„Aye.“ Far rang sich ein Lächeln ab und stieg Songlian und Mrs. Harsen voran die Stufen hinauf.
„Hier war mein Zimmer. Ich hatte die Wände mit einem Haufen Poster beklebt. Meine Momma hat sich deswegen immer aufgeregt, weil die Tapete litt.“ Ein Hochbett stand in dem Zimmer, worunter ein Arbeitsplatz eingerichtet war, damit der Sohn von Mrs. Harsen seine Hausaufgaben machen konnte. In einem Regal stapelten sich Computerspiele, etliche Comics und am Schrank war ein frisch gewaschenes Fußballtrikot aufgehängt worden.
Songlian blieb mit Mrs. Harsen an der Tür, während Far zum Fenster ging. Auf der Fensterbank standen einige Actionfiguren, die er sich gedankenverloren ansah. In diesem Zimmer hatte er hartnäckig die ersten Karatetritte geübt. Das war Lichtjahre her. Er konnte sich ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen.
Plötzlich erklang vom Garten her ein gequältes Jaulen und gleich darauf lautes Kindergeheul.
„Entschuldigen Sie mich bitte. Ich muss mal nach den Kindern sehen.“ Mrs. Harsen lief die Treppe hinunter und ließ sie allein. Far stellte die Figuren zurück und zog Songlian mit sich zum zweiten Kinderzimmer. Vor dieser Tür zögerte er erneut. Songlian konnte sehen, wie es in seinem Gesicht arbeitete.
„Em …“
„Far?“, fragte Songlian.
„Ich kann da nicht rein.“ Seine Stimme klang zittrig.
„Natürlich kannst du. In die anderen Zimmer konntest du doch auch.“ Songlian öffnete kurzerhand die Tür. Fars Gesicht wurde schneeweiß, als er das Kinderzimmer betrat.
„Ihr Bett stand dort und dann … dann haben sie …“ Langsam sank Far auf die Knie und deutete auf die Wand neben der Tür. Er begann lautlos zu weinen. Songlian kauerte sich neben ihn nieder und schlang unerwartet die Arme um ihn. Dankbar nahm Far den
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