Söhne der Rose - Die Zeit ist aus den Fugen- (Gay Phantasy) (German Edition)
großes Zimmer, in dessen Mitte ein unpassend altertümliches Bett mit einem Gestell aus Messing stand. Stanley Kubrick wäre mit Sicherheit der einzige Mensch auf Erden gewesen, der sich hier wohl gefühlt hätte.
Dr. Robert lag in dem Bett. Seine Haut war grau, trocken und faltig. Die Decke hob und senkte sich langsam. Die Augen hatte er geschlossen. Er schlief.
Ich machte unbewusst einen ängstlichen Schritt zurück und stieß gegen Alain.
„Keine Angst, mon ami. Der andere in ihm ist tot. Endgültig. Was du dort siehst, bin nur ich.“
„Bist du dir sicher?“, fragte ich leise, ohne meine Augen von dem Schlafenden zu nehmen.
„Ganz sicher.“
„Wie kommt er hier her?“
„Er ist kurz vor dir aufgetaucht. In Roses Zimmer. Sie und ich haben ihn nach hier oben gebracht.“
„Es stimmt also“, sagte Sinh. „Das ist der Mann, der in der Schweiz dabei gewesen war. Jetzt erinnere ich mich. Er sieht tatsächlich genau so aus wie du, Alain.“
„Was machen wir jetzt mit ihm?“
Meine Frage war an Rose gerichtet, aber Sinh antwortete.
„Wir bringen den Scheißkerl um.“
„Auf keinen Fall!“, sagte ich, trat neben sein Bett und drehte mich zu den anderen um.
„Warum nicht? Er hatte garantiert etwas mit dem Unfall im CERN zu tun gehabt. Also hat er meine Mutter ermordet. Und Daxx, Alain und dich wollte er auch töten. Reicht das nicht? Wer weiß, wozu dieser Irre noch fähig ist?“
Ich hoffte auf Unterstützung von Rose oder Alain, aber sie schwiegen. Sinh war – genau wie Daxx – mein Nachfolger. Ergo musste ich mit ihm klar kommen.
„Du hast es wirklich noch nicht verstanden. Dieser Mann sieht nicht nur aus wie Alain. Es ist Alain, aber eben nur sein Körper. Derjenige, der für all das verantwortlich war, was du eben aufgezählt hast, hatte Alains Körper gestohlen. Aber er existiert nicht mehr. Ich habe ihn ... ich habe ihn umgebracht.“
Schweigen.
Der gealterte Alain hatte inzwischen die Augen geöffnet und sah mich an. Ich hatte es gar nicht mitbekommen und versuchte, meinen Schrecken zu unterdrücken. Eine falsche Reaktion von mir hätte nur Öl in Sinhs Feuer gegossen.
Der Blick des ehemaligen Dr. Robert war ausdruckslos. Ich hatte Angst vor ihm, vor dem, was er vielleicht doch noch sein könnte. Aber ich vertraute auch Alain und Rose. Dann geschah etwas, womit ich nicht gerechnet hätte. Sein Blick klärte sich, er hob langsam seinen Arm, ergriff meine Hand und flüsterte leise: „Julian?“
Und endlich konnte ich es auch glauben. Dieser Mann war nicht mehr Dr. Robert. Er war auch nicht der General. Es war Alain, alt, schwach und um sein Leben betrogen. Eine andere Version des Alains, dem ich in der Hütte im Kopf meines kranken Vaters begegnet war. Ich biss die Zähne zusammen und sagte leise: „Ich bin hier. Es ist alles gut.“
Ich glaube, Sinh wollte trotzdem Einwand erheben, mich warnen, dass es eine Falle sei. Er wollte es; ich sah es in seinen Augen. Doch bevor er etwas sagen konnte, sprang Dina von Daxx‘ Armen, machte einen Satz auf die Bettdecke und rollte sich schnurrend zusammen. Daxx legte sanft seine Hand auf Sinhs Schulter. Niemand sagte ein Wort.
Als wir wieder am Küchentisch saßen, steckte sich jeder von uns eine von Roses Zigaretten an. Daxx schenkte ihr, Sinh und sich die Reste vom Weißwein ein und leerte damit die Flasche. Der gealterte Alain war wieder eingeschlafen, bevor wir sein Zimmer verlassen hatten. Dina war bei ihm geblieben.
„Was wird denn nun mit ihm geschehen?“, fragte Daxx und unterbrach damit das bedrückende Schweigen. „Bleibt er hier in der Villa?“
„Das wohl nicht“, antwortete Rose. „Hier bleiben kann er nicht.“
Ich bemerkte Alains innere Anspannung. Er versuchte sie zu kaschieren, aber es gelang ihm nicht vollständig. Trotzdem sagte er nichts, obwohl es irgendwie um seine Zukunft ging.
„Aber das sollten wir heute Abend sowieso nicht mehr diskutieren“, fuhr Rose fort. „Nach den ganzen Anstrengungen, die ihr auf euch genommen habt, ist es jetzt sicherlich besser, erst einmal ein wenig Schlaf zu bekommen. Morgen früh, wenn wir ausgeruht sind, können wir alles Weitere besprechen. Sinh, Daxx, ich möchte euch bitten, diese Nacht noch hier in der Villa zu verbringen.“
„Das ist okay“, sagte Sinh, und Daxx nickte. „Aber ich möchte vorher noch ein bisschen frische Luft schnappen.“
„Ich auch“, sagte Daxx und stand zeitgleich mit seinem Bruder auf. „Wir drehen noch eine Runde durch
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