Soehne des Lichts
Zauberer hinterlässt seine Erinnerungen in ihnen. Es war wohl vor langer Zeit, dass dies geschah.“
„Weißt du, je mehr ich hier draußen umherwandere, desto mehr verstehe ich, wie eingesperrt ich all die Jahre war. Ich Narr dachte wirklich, in Roen Orm alles gesehen zu haben, was auf der Welt von Bedeutung ist und unter der Hand der Hexen alles gelernt zu haben, was ein Mann wissen muss.“ Beinahe ehrfürchtig berührte Thamar die Reste des Turms. „Diente er der Verteidigung?
Der Beobachtung der Landesgrenzen? Der Erforschung der Sterne? Wie viel Schweiß wurde vergossen, ihn zu erbauen, wie viel Blut, ihn zu verteidigen? Und heute steht er hier, vergessen von allen, und niemand erinnert sich an seine Baumeister und Verteidiger, nicht einmal er selbst.“ Er lachte leise, was ihm einen besorgten Blick von Avanya einbrachte.
„Ich bin nicht verrückt, Avanya! Nun gut, nicht mehr als sonst. Mir ist nur gerade klar geworden, wie dumm es ist, sein Leben für ein paar Mauern und zusammengesetztes Gestein zu opfern. Mein Volk hat etliche Jahrhunderte lang sein Blut vergossen, um Roen Orm vor den Elfen zu verteidigen. Ein völlig sinnloser Krieg, denn die Elfen wollten diese Stadt niemals einnehmen oder besetzen, sondern nur Zugang zum Weltenstrudel haben, der innerhalb der Mauern des Ti-Tempels liegt. Als die Elfen ankamen, verstanden sie unsere Sprache nicht und wurden gnadenlos angegriffen. Als sie schließlich soweit waren, dass sie uns ihre Absicht hätten erklären können, wollte niemand mehr mit ihnen sprechen oder verhandeln. All die Toten, und das bloß, weil zwei Völker zu stolz waren, miteinander zu reden. Wer weiß, aus welchem dummen Grund die Bewahrer dieses Turms hier niedergemacht wurden.“ Er lachte wieder, leiser nun, und wollte sich abwenden, doch etwas von Avanyas Erschrecken, das sie spürte, musste sich in ihrem Gesicht spiegeln, denn er starrte sie an.
„Was ist?“
„Ich ... was du gerade sagtest ...“ Sie seufzte tief. „Seit endloser Zeit kämpfen wir Nola gegen die Trolle. Sie greifen uns unentwegt an, töten und zerstören alles, was sie erwischen können, egal, wie hart wir zurückschlagen. Wir wissen nicht, warum, weil wir ihre Sprache nicht verstehen. Die Alten lehren uns, dass die Chyrsk bloß grausam und dumm sind, dass ihre barbarischen Götter es ihnen befehlen, soviel Blut wie nur möglich zu vergießen. Aber du hast sie erlebt, Thamar. Du hast gesehen, dass sie manchmal Gelegenheit zum Töten hätten und es einfach nicht tun. So etwas habe ich schon häufig erlebt. Was, wenn es ebenfalls ein Missverständnis ist?“
„Ich weiß es nicht. Ich denke allerdings, dass man Elfen und Chyrsk nicht miteinander vergleichen kann. Elfen besitzen eine hoch entwickelte Kultur, während diese Trolle doch kaum mehr als Tiere zu sein scheinen, die gelernt haben, mit groben Waffen und Werkzeugen zu hantieren?“
„Das ist ungewiss, sie sind auf ihre Art durchaus intelligent, leben in Gruppen und kümmern sich umeinander. Sie sorgen für ihre Toten, sie besitzen Rituale. Sicherlich sind sie primitiv, dennoch hat wohl jedes Lebewesen einen Grund für das, was es tut?“ Avanya schüttelte den Kopf und entfernte sich von der Turmruine. „Raten ist sinnlos. Vielleicht wollen die Chyrsk tatsächlich nur Ruhm für ihre Götter erringen, indem sie so grausam wie möglich sind.“
Am Abend, sie wollten bereits einen Lagerplatz suchen, an dem sie vor dem Sturm, den Avanya heranziehen spürte, sicher wären, da verhielt die Nalla plötzlich im Schritt und wandte den Kopf nach Süden.
„Irgendwo da vorne ist eine Menschensiedlung“, sagte sie, angestrengt witternd, die feine Nase hoch in die Luft gereckt. Thamar musste immer lächeln, wenn er sie dabei beobachtete.
„Weit entfernt? Und, ist es eine große Siedlung?“, fragte er.
„Wir könnten sie kurz nach Einbruch der Dunkelheit erreichen“, murmelte Avanya zögerlich.
„Du musst nicht mitgehen. Wie wär’s, wir gehen gemeinsam hin, ich kaufe mir ein paar Vorräte und zusätzliche Decken, und dann suchen wir uns gemeinsam einen Schlafplatz in der Nähe“, schlug Thamar vor.
„Nein, das ist Unsinn.“ Avanya presste die Lippen zusammen und stemmte entschlossen die Fäuste in die Hüften. Du solltest nicht in der Wildnis lagern, wenn der Schutz von Deinesgleichen so nah liegt. Der Sturm heute Nacht wird schwer, ich kann mich besser vor fallenden Bäumen und umherfliegenden Ästen schützen als du. Die Kälte und
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