Soko Mosel
Maschen des Zauns und hielt sich am wackligen metallenen Eckpfosten fest. Wenig elegant rutschte er über den obersten Draht und sprang auf der anderen Seite hinunter. Der Hang war hier viel steiler, als es von der anderen Seite des Zauns den Anschein gehabt hatte. Waldes Schuhe fanden keinen Halt. Er landete auf dem Rücken und glitt den Hang hinunter. Als er mit den Beinen ins Wasser rutschte, hoffte er noch einen kurzen Moment, er werde gleich den Boden berühren. Bruchteile einer Sekunde später schlug das Wasser über ihm zusammen.
Walde war so überrascht, dass er nicht einmal den Mund schließen konnte. Jetzt schoss er aus dem Wasser und hustete und spuckte. Ihm war, als hätten ihn rings herum Arme gegriffen und zögen ihn nach unten. Sein Kapuzenpulli schnürte sich eng über seiner Brust zusammen. Er versuchte, sich über Wasser zu halten und ruhiger zu werden. Das ungewohnte Gefühl, mit Schuhen und Hose im Wasser zu liegen, wurde von einem stechenden Schmerz in seinem linken Fuß verdrängt. Der Krampf ergriff kurz darauf die Wade und setzte sich bis zum Oberschenkel fort. Walde kämpfte sich zum Rand. Sein rechter Fuß fand keinen Halt. Das Ufer fiel fast senkrecht ab. Er griff nach Pflanzen, sie lösten sich aus der Erde, und er rutschte wieder zurück.
Der Krampf hielt unverändert an. Er gelangte in Rückenlage und versuchte, sich mit dem schmerzenden Fuß vom Rand abzustoßen. Sobald das Bein keinen Widerstand mehr hatte, kehrte der Schmerz unvermindert zurück. Walde geriet erneut mit dem Kopf unter Wasser. Wieder hatte er den vor Schmerz verzogenen Mund nicht geschlossen. Diesmal kam er nicht einmal lange genug hoch, um das Wasser ausspucken zu können. Hustend sackte er wieder ab. Seine Hände bekamen etwas zu fassen. Er klammerte sich daran. Es waren die Zweige eines Buschs, die bis in den Teich hingen. Als Walde wieder zu Atem gekommen war, zog er sich vorsichtig Stück für Stück bäuchlings aus dem Wasser.
Neben dem Teich rollte er sich auf den Rücken und umklammerte seinen linken Turnschuh. Mit aller Kraft stemmte er den Fuß auf. Der Krampf ließ ein wenig nach, so dass er aufstehen und den Druck auf den Fuß erhöhen konnte. Walde humpelte ein paar Schritte. Das Wasser quatschte in den Schuhen. Verschwommen sah er die weit entfernten Lichter unten im Dorf. Er hatte seine Brille verloren. Seine Zähne schlugen aufeinander. Jetzt spürte er die Kälte.
Zurück zum Zaun wagte er sich nicht mehr. Er orientierte sich in Richtung Haus. Vorsichtig achtete er darauf, wo er hintrat. Endlich erreichte er einen schmalen Pfad. Walde entspannte sich ein wenig. Der Pfad führte an einem Pavillon vorbei. Er spähte hinein, konnte in der Dunkelheit aber nichts erkennen. Als er eintrat, zischte es, es folgte unmittelbar ein Klatschen, wie von einer heftigen Ohrfeige. Er sackte zusammen.
*
Walde hörte von oben dumpfe Schritte und versuchte, die Augen zu öffnen. Eines bekam er nicht auf, mit dem anderen sah er nichts. War er blind? Er lag auf dem Bauch, das Gesicht nach unten. Der Boden war hart und kalt. Er drehte sich um. Ein schwacher Lichtschein drang in den Raum. Walde betastete das Auge, das er nicht öffnen konnte. Es fühlte sich klebrig und dick geschwollen an.
Walde schnupperte. Es stank nach Öl. Der Schmerz meldete sich und die Kälte. Er befühlte seinen Körper. Kalter Stoff klebte an ihm. Er war nass. Langsam kam die Erinnerung.
Unten im Keller lag nun der Zweite, der in den Garten eingedrungen war. Den Ersten hatte er bereits begraben. Der hier schien auch mehr tot als lebendig zu sein. Lorenz hatte wohl etwas zu hart zugeschlagen. Ein Zurück gab es schon längst nicht mehr. An einen Arzt war nicht zu denken. Als er das Montainbike neben der Garage fand, war er froh, nicht noch einen Wagen beiseite schaffen zu müssen. Das Rad passte in den Kombi.
Lorenz fuhr durch die Unterführung der B 51 zum Sauertal hinunter. In der Haltebucht hinter dem Campingplatz in Metzdorf zog er das Rad aus dem Laderaum. In der Dunkelheit war niemand auf dem Radweg an der Sauer zu sehen. Der Sattel war viel zu hoch. Passendes Werkzeug hatte er nicht dabei. Lorenz konnte nur im Stehen fahren. Noch vor ein paar Tagen hatte er viele Kilometer auf einem einfachen Hollandrad ohne Gangschaltung zurückgelegt – Isabelle hatte das Radfahren über die Dünenwege geliebt.
Lorenz kam nicht mit der Gangschaltung zurecht. Es war ein viel zu leichter Gang eingestellt, in dem konnte er unmöglich fahren, ohne im
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