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Sokops Rache

Sokops Rache

Titel: Sokops Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lohmeyer
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Segeltour am Wochenende dürfte hiermit geplatzt sein.
    * * *

 
    Nicole bedient die Leinen. Sie haben erst das Groß und dann die Fock gesetzt. Die  Niobe  läuft wie am Schnürchen am Wind. Ihr Vater steht – ganz Captain Cook – steuernd an Deck, schaut grimmig und genießt die Aufmerksamkeit der Journalistin. Die schnüffelt wie ein Spürhund herum, fragt sie beide Löcher in den Bauch, scheint dabei unangemessen aufgeregt zu sein. Nur fotografiert hat sie noch nicht. Vielleicht spart sie sich das auf, bis sie und ihr Vater ganz natürlich, in ihrer Haltung durch die Gewöhnung an die Anwesenheit der Fremden weniger förmlich geworden sind. Nicole sitzt achtern, genießt die entspannende Wirkung der fast schwerelosen Bewegung über das Wasser, die gewohnten Handgriffe, die stets gleichen Kommandos. Hier draußen sieht sie alles aus einem anderen Blickwinkel, erscheint ihr vieles erheblich bedeutungsloser als an Land.
    »Ich mache uns noch einen Kaffee. Das ist doch in Ordnung, oder?« Die Journalistin steht am Niedergang, ihren Beutel umgehängt. »Ich muss nämlich auch mal wohin.« Sie grinst verlegen. Nicole nickt. Die andere weiß, wo die Toilette ist. Ihr Vater hat ihr die  Niobe  vor dem Auslaufen von der Bilgenpumpe bis zum Verklicker vorgeführt.
    »Zeit zum Umkehren, was meinst du, Kätzchen?«
    Normalerweise ärgert sie der alberne Kosename, den ihr Vater seit mehr als drei Jahrzehnten unverdrossen benutzt. Heute stimmt er sie wehmütig. Klingt er doch so viel zärtlicher als das coole Nic, das Henry benutzt. Doch auch das würde sie nur zu gern wieder hören.  Wo ist er nur? Warum meldet er sich nicht?
    »Ja, es ist genug für heute. Lass uns wenden.« Ihr Vater scheint erleichtert. Auch er ist nur hier, weil es dem Geschäft dient, nicht, weil er ernsthaft Lust auf einen Segeltörn hätte.
    »Klar zur Wende.«
    Sie nimmt die Vorschot aus der Winsch. »Ist klar.«
    »Ree.«
    Sie holt die Fock dicht, freut sich an der Effektivität ihrer während vieler Jahre trainierten Kommunikation und Handgriffe. Sie fahren eine Q-Wende, gehen auf Heimatkurs Wismar. Wie ein Pferd, das seinen Stall wittert, nimmt die  Niobe  tüchtig Fahrt auf, zerschneidet die grauen Wellenkämme, dass es spritzt.
    Nicole fällt auf, wie lange die Journalistin schon unter Deck ist und mit ahnungsvollen Gedanken an ihre eigene Tasche mit Geld, Handy und Autoschlüsseln steigt sie den Niedergang hinunter.
    * * *
    Sonja ist euphorisch und zugleich völlig gelassen. Sie denkt lächelnd daran, dass schwangere Frauen in den Stunden vor der Entbindung eine solche überirdische Gemütsruhe überkommen soll. Sie steckt den Halbliterflachmann aus Edelstahl zurück in ihren Beutel, gießt heißen Kaffee aus der Glaskanne in die drei Becher, von denen zwei präpariert sind. Wie immer hat ihr Arzt ihr, nachdem sie ihm etwas von stärker werdenden Schlafstörungen vorgejammert hat, das Gewünschte verschrieben. Sie hat alle zwanzig Tabletten im Mörser zerkleinert und in Wasser aufgelöst. Das milchige, dickflüssige Gemisch wird selbst den großen, beleibten Oldenburg umhauen. Sie kennt die Wirkung der Benzodiazepine aus eigener Erfahrung. Zusammen mit Alkohol sind sie wahre K.O.-Mittel. Der extra starke Kaffee, den sie gekocht hat, wird den bitteren Geschmack erklären, dazu kippt sie Whisky in alle drei Becher. Für den Fall, dass keine Kaffeemaschine an Bord gewesen wäre, hat sie sogar eine Flasche bitteren Kräuterlikör in ihrem Beutel mitgebracht. Schritte tappen auf den Stufen zum Deck. Hastig dreht sie sich um, die Whiskyflasche noch in der Hand.
    »Ich habe Ihnen auch einen kleinen Schluck eingeschenkt. Das ist doch in Ordnung, oder? Sie haben bisher ja noch gar nichts getrunken. Ich weiß, wenn man noch Auto fahren muss, sollte man vorsichtig sein.« Sie plappert und kichert. Über Nicole Oldenburgs Miene huscht für einen Sekundenbruchteil Unwillen, dann hat sie sich wieder unter Kontrolle und lächelt.
    »Na, einen Kleinen darf ich wohl.« Sie zieht fröstelnd die Schultern hoch. »Mir ist tatsächlich ein wenig kalt geworden, da kommt so ein Gebräu gerade recht.« Sie lässt ihren Blick forschend durch die Kabine gleiten. Sonja hält ihr einen Becher hin.
    »Na, dann zum Wohl. Auf Mast- und Schotbruch.« Wieder muss sie kichern, trinkt schnell einen Schluck aus ihrem eigenen Becher.
    Oldenburg nimmt den Kaffeepott im Steuerstand entgegen, setzt ihn sofort an die Lippen und nimmt mehrere Schlucke.
    »Na, min Deern.

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