Sommerfalle
Scheinwerfer blinkten im Rhythmus der Hupe. Rebecca versuchte, das Auto anzulassen, aber der Alarm blockierte die Zündung, und der Schlüssel ließ sich nicht mehr ins Schloss schieben. Sie drückte gegen die Tür und riss am Griff, doch ihre Fingernägel konnten die kleinen Plastikknöpfe nicht betätigen. Sie saß erneut in der Falle.
Edward warf lächelnd einen Blick auf seinen Schlüssel mit der Fernbedienung und war stolz, dass er sich diese Vorrichtung geleistet hatte. Er stellte die Hupe und das Blinken der Scheinwerfer ab, ließ die Türen jedoch verriegelt. Er schaltete das Verandalicht ein und beleuchtete damit Beckys entsetzte Miene. Fast meinte er, die falsche Person in seinem brandneuen Wagen gefangen zu haben. Ein wild gewordenes Mädchen hämmerte gegen die Scheiben und warf sich mit der Schulter erst gegen die Fahrer-, dann gegen die Beifahrertür. Aber wer sollte es sonst sein? Er winkte ihr freundlich zu.
Wie ein gefangenes Tier schlug Rebecca gegen Türen und Fenster. Der Regen fiel jetzt wie ein Vorhang, und sie vermochte kaum, durch die Windschutzscheibe hinauszusehen. Das Licht auf der Veranda war zwar angegangen, doch der Irre war drinnen im Trockenen geblieben. Wenn sie Glück hatte, würde es die ganze Nacht durchregnen.
Aber im Moment hatte sie kein Glück, dachte sie bei sich. Und er hat mich wieder gefangen.
»Und was sagt der Doktor?«, fragte Alicia die andere Krankenschwester. »Warum schläft 304 immer noch?« Alicia hatte Marsha direkt hinter Dr. Nordquist aus dem Krankenzimmer kommen sehen und war neugierig auf seine Diagnose.
»Dr. Nordquist hat nur ein paarmal vor sich hin gebrummt. Ich glaube, er ist mal wieder mit seinem Latein am Ende. Und du erinnerst dich doch sicher noch, wie gemein er das letzte Mal zu mir war, als ich nachgebohrt habe.« Marsha verzog das Gesicht, und Alicia nickte, während sie ihr ein weiteres Formular gab.
»Ich dachte, ihr Freund wäre längst zurück. Wo er doch so hingebungsvoll ist«, sie warf Marsha einen skeptischen Blick zu. »Was kann man denn hier an einem Mittwochnachmittag zwei Stunden lang anfangen?«
»Vor allem in dieser Gegend«, mischte sich die Schwesternschülerin Lauren ins Gespräch ein und ließ sich auf einen der Stühle hinter dem Schreibtisch fallen. Sie schüttelte den Kopf und sagte: »Meine Cousine wohnt im Süden, und da gibt es immer tausend Sachen, die man machen kann. Aber hier oben …« Sie rollte mit den Augen und hob fragend die Brauen.
»Wie meinst du das denn?«, fragte Alicia. »Ich bin in der Vorstadt nördlich von Detroit aufgewachsen und finde, es gibt hier mindestens ebenso viel, was man machen kann, wie dort. Und da fallen mir auch gleich drei Dinge für dich ein, Fräulein Lauren.« Alicia bedeutete der Schwesternschülerin, dass sie ihr folgen sollte, und marschierte den Flur hinunter.
Lauren erhob sich stöhnend und raunte Marsha zu: »Sie klingt genau wie meine Mutter.«
Marsha legte ihren Stift aus der Hand und ging an den Aufzügen vorbei zu Zimmer 304, wo sie den Kopf durch die Tür steckte. Sie konnte immer noch das Old Spice riechen, in dem Dr. Nordquist gebadet haben musste. Wer benutzte heutzutage noch Old Spice?
Ihre Schuhe quietschten auf dem Boden, als sie ans Bett trat. Sie sah auf Rebecca hinunter und fragte sich laut: »Was ist nur mit dir passiert? Warum willst du denn nicht aufwachen?«
Der Infusionsbeutel war fast leer, und die Schwester wandte sich ab, um einen neuen zu holen. Sie sah weder, dass Rebecca die Hand bewegte, noch den attraktiven jungen Mann, mit dem sie um ein Haar zusammengestoßen wäre. Marsha entschuldigte sich und sagte ihm, sie wäre sofort zurück. Seltsam, dass er darauf nur mit einem teilnahmslosen Kopfnicken reagierte.
Edward beobachtete lange, wie Becky in dem Auto herumtobte, bevor er sich sicher war, dass sie nicht entkommen konnte. Die Scheiben waren aus so hartem Glas, dass sie sie nicht würde eintreten können. Wieder eine Investition, die sich gelohnt hatte.
Er ließ das Verandalicht brennen und ging auf die Toilette.
Bevor er das Bad wieder verließ, entdeckte er ihre Armbanduhr und starrte so lange darauf, bis der Sekundenzeiger zweimal im Kreis gegangen war. Dann trug er sie ins Schlafzimmer und legte sie behutsam in seine Zigarrenkiste. Sein Kleingeld war weg und auch der Schlüssel, wie er dabei feststellte. Doch seine kostbaren Fotos waren noch da. Er entdeckte auch sein zweites Paar Handschellen, die sie aus dem Rucksack genommen haben
Weitere Kostenlose Bücher