Sommerliebe
Inge vor einem der beiden Apparate provokativ, »was mit den Ärzten los ist.«
»Hab' ich dir das nicht schon gezeigt?« ließ sich Rolf vernehmen.
Inge lachte, ohne rot zu werden.
»Hier würde ich das gerne sehen«, erklärte sie mit Betonung.
Rolf winkte ab.
»Ich will denen nicht die Existenzbasis zerstören.«
»Soll das heißen, daß der Apparat kaputt ginge?«
»Wahrscheinlich.«
»Angeber!«
Rolf grinste Heinz an.
»Soll ich?«
Ein kleiner Konkurrenzkampf brach aus.
»Soll nicht erst ich?«
»Du?«
Ziemlich geringschätzig hatte das geklungen, und deshalb war es unabwendbar, daß Heinz glaubte, eine solche Herabwürdigung seiner Person vor Inge, insbesondere aber vor Ilse, nicht zulassen zu können. Schon steckte er einen Groschen in den Zahlschlitz des Apparates, stemmte die Beine breit in den Boden, legte die Hände an die zwei Griffe, holte tief Atem und … preßte … preßte … preßte …
Rot lief er an, blau. Ächzend entwich ihm Atemluft. Der Zeiger drehte und drehte sich, erst schnell, dann langsamer. Den ›Schneider‹ und den ›Beamten‹ passierte er rasch, den ›Tischler‹ mit Verzögerung, den ›Landwirt‹ nur noch mit Mühe – aber immerhin. Die beiden Mädchen kreischten bewundernd. Mit jedem Millimeter des Zeigers mehr traten Heinz nun die Augen weiter aus den Höhlen. Um jeden Preis wollte er den ›Schmied‹ erreichen. Man glaubt ja gar nicht, wie stolz sogenannte Geistesschaffende auf körperliche Leistungen sein können. Geradezu kindisch werden sie, wenn es darum geht, die Muskeln spielen zu lassen. In jenen Minuten hätte sich Heinz Bartel, vor die Wahl gestellt, den Nobelpreis in Literatur oder eine olympische Goldmedaille in Schwerathletik einheimsen zu können, für die Goldmedaille entschieden.
»Bravo!« feuerte ihn Inge an.
»Nicht schlecht!« stieß Rolf ins gleiche Horn, wenn auch das Gönnerhafte dabei im Ton mitschwang.
Nur Ilse scherte aus. Sie sah die Schlagader am Hals von Heinz kleinfingerdick anschwellen und fürchtete, daß sie platzen könne, weshalb sie ausrief: »Hör auf, du fällst sonst um!«
Nun erst recht!
Ilse hatte eine falsche Taste angeschlagen. Umfallen wäre ein Zeichen der Schwäche gewesen. Umfallen kam nicht in Frage.
Die Ader drohte ringfingerdick anzuschwellen.
»Hör auf!« rief Ilse noch einmal. »Das genügt!«
Ganz, ganz langsam, zitternd kroch der Zeiger heran an ›Schmied‹, streifte ihn, verharrte den Bruchteil einer Sekunde auf der Stelle – und sauste zurück in seine Ausgangsposition. Heinz hatte die Griffe losgelassen. Schwer atmend, aber stolz wie ein Pfau, blickte er herum, bereit, die Ovationen, die ihm zustanden, entgegenzunehmen. Seinem Gesichtsausdruck war zu entnehmen, daß der ›Schmied‹ nicht das Äußerste gewesen sei, daß er eigentlich noch weiter hätte gehen können. Pfauen sind bekanntlich nicht die intelligentesten Vögel.
»Toll!« rief Inge.
»Ja, toll!« fiel Ilse ein, flüsterte ihm aber rasch ins Ohr: »Mußte das sein? Ich hatte schon Angst um dich.«
Das tat ihm gut. Bewunderung und Angst in einem, dargebracht vom Weibe, das ist für jeden Mann die schönste Mixtur an Gefühlen, die sein Inneres heben.
»Ein neuer Herkules!« Das kam von Inge, nicht von Ilse.
»Bewahr dir noch etwas auf für mich«, sagte Rolf zu ihr.
»Muß ich das?«
»Du wirst schon sehen.«
»Dann leg endlich los.«
»Das hätte ich ja schon längst getan, wenn nur einer einen Groschen gäbe.«
Auch Heinz hatte keinen mehr, Inge und Ilse ebenfalls keinen. Der Amtsgerichtsrat Dr. Brenner aus Leipzig, an den sich Rolf mit der Frage wandte, ob er ihm ein Fünfzigpfennigstück wechseln könne, war dazu imstande. Dann konnte die gleiche Darbietung zum zweiten Male über die Bühne gehen.
Rolf mußte aber zu seiner Überraschung feststellen, daß er sich die Sache leichter vorgestellt hatte. Seine Fehleinschätzung wurzelte in der Leistung, die Heinz vollbracht hatte. Wenn der schon, dachte er, auftrumpfen konnte hier, was kann dann erst ich!
Der zweite Pfau machte sich also ans Werk. Mit leichter Hand wurden wieder die Stationen ›Schneider‹ und ›Beamter‹ passiert, auch noch der ›Tischler‹. Dann aber …
Moment mal, dachte Rolf, was ist denn das? … Das … verdammt noch mal … das gibt's doch nicht! Ich … ich stehe doch an keinem anderen Apparat? … Der Heinz … der … hat doch den ›Landwirt‹ … den hat der doch … ohne weiteres … geschafft …
Rolf drückte und drückte,
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