Sommerliebe
sogenannte kleine Mädchen mit Vorliebe tun –, winkte Heinz dem Kellner und fragte ihn: »Wo ist Ilona? Wir sehen sie nicht.«
»Welche Ilona, mein Herr?«
»Die ungarische Sängerin, die hier vor wenigen Tagen aufgetreten ist.«
»Ach die.« Der Kellner zuckte die Achseln. »Die hat praktisch von einer Stunde auf die andere aufgehört. Sie wollte nach Hause, und sie fuhr nach Hause, obwohl noch kein Ersatz für sie zur Stelle war. Wissen Sie, denen fehlt allen unser deutsches Pflichtgefühl. Man kann das nicht anders sagen, nein. Inzwischen haben wir aber, wie Sie sehen, eine Neue, allerdings ist die nur aus Kassel, sie macht jedoch ihre Sache auch nicht schlecht.«
Der Ober wurde an einen anderen Tisch gerufen.
»Welche Sache?« sagte Heinz zu Rolf. »Das Singen vielleicht, aber nicht das Handlinien lesen. Ich hätte mir gern noch einmal die Zukunft ein bißchen aufhellen lassen.«
»Meine nächste Zukunft kenne ich«, lachte Rolf.
»So?«
»Ja, die zusammen mit Annamirl. Und du mußt dir über die deine, zusammen mit Hanna, auch kein Kopfzerbrechen machen.«
»Wie hat denn Annamirl eigentlich deine Einladung aufgenommen? Die muß ihr doch völlig überraschend gekommen sein?«
»Zuerst hat sie natürlich glatt abgelehnt. So eine sei sie nicht, sagte sie.«
»Und dann?«
»Dann hat sie gefragt, wann sie gestiefelt und gespornt sein müßte. Als ich sagte, um acht, hat sie das bedauert.«
»Bedauert?«
»Warum nicht schon um sieben, meinte sie.«
Die beiden Mädchen kamen von der Toilette zurück. Sie hatten sich frisch gemacht, sich aufgemöbelt mit Puder, Lippenstift und etwas Schminke, waren wirklich hübsch anzusehen und eigentlich viel zu schade dafür, auf die Schnelle vernascht zu werden. Letzteres ließ sich aber wohl nicht mehr verhindern.
»Herr Doktor«, fragte Annamirl aus heiterem Himmel Rolf, »verstehen Sie auch etwas von Frauensachen?«
»Frauensachen?«
»Frauenleiden.«
»Nein«, erwiderte mit Entschiedenheit Rolf, um allem, was da auf ihn zukommen konnte, einen Riegel vorzuschieben. »Ich bin Chirurg und kein Gynäkologe. Aber Chirurgen trinken mit Mädchen gern ganz rasch Bruderschaft. Was sagen Sie dazu, Fräulein Geiselbrechtinger?«
»Das finde ich prima von denen.«
»Also los!«
Nachdem Heinz hurtig erklärt hatte, daß es diesbezüglich zwischen Chirurgen und jungen Schriftstellern eine enge Verwandtschaft gebe, stand jenem Ritual nichts mehr im Wege, das es den Menschen erlaubt, einander zu duzen. Die vier am Tisch küßten sich übers Kreuz und fanden das Ganze außerordentlich lustig.
Ja, wirklich, es wurde ein schrecklich vergnügter Abend.
Er wurde so vergnügt, daß sowohl Heinz Bartel als auch Rolf Wendrow am nächsten Morgen nicht allein aufwachten, sondern der eine auf dem Kissen neben sich einen blonden Wuschelkopf und der andere einen schwarzen entdeckte. Die dazugehörenden Körper zeichneten sich durch die Eigenschaft aus, völlig unbekleidet zu sein.
So eine Sommernacht kann ja auch schrecklich heiß und schwül sein, sogar an der Ostsee.
Heinz und Rolf waren sich sofort einig: Vom Abend in der Excelsior-Bar durften Ilse und Inge notfalls erfahren, nicht aber von der Nacht, die sich dem Abend anschloß.
»Wie deichseln wir das?« fragte Heinz, den schon Reue über das Geschehene ergriff, seinen hartgesotteneren Freund.
»Vielleicht wär's am besten, ihnen gar nichts zu sagen.«
»Auch nichts von unserem Ausflug in die Bar?«
»Auch davon nichts.«
»Das halte ich für Blödsinn.«
»Und warum?«
»Weil wir dort«, antwortete Heinz, »von irgend jemandem gesehen worden sein können, der ihnen Bescheid sagt. Das muß noch nicht einmal in böser Absicht geschehen.«
»Du hast recht«, nickte Rolf. »Dann schlage ich vor, etappenweise vorzugehen. Du holst sie gleich nach dem Mittagessen zum Baden ab; ich komme etwas später nach.«
»Nee«, widersprach Heinz, »du holst sie ab, und ich komme nach.«
»Ich dachte –«
»Du dachtest, mich als ersten ins Feuer zu schicken, mein Freund, ich weiß. Aber ist es nicht so, daß du uns diese Suppe eingebrockt hast? Also fang auch du an, sie auszulöffeln. Außerdem würden die sicher erschrecken, wenn sie mich ganz unvorbereitet vor ihrer Tür sähen.«
»Wieso?«
»Weil sie mich im Bett vermuten. Ihrem Wissen nach bin ich doch noch krank. Du als Arzt mußt ihnen ankündigen, daß das nicht mehr der Fall ist.«
Rolf seufzte.
»Meinetwegen.«
Dann ging er zum Telefon, um Inge
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