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Sonnenkoenig

Sonnenkoenig

Titel: Sonnenkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Lifka
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austauschen.«
    »Habe ich eine Wahl?«
    »Soll ich Ihnen etwas raten?
Denken Sie einfach, Sie hätten die Wahl und würden sich für meinen Vorschlag
entscheiden.«
    »Na gut, bringen wir es hinter
uns.« Carla wurde aus diesem Mann nicht schlau. Entweder hatte er es faustdick
hinter den Ohren und war noch gerissener, als sie bisher dachte, oder er meinte
das, was er sagte. Immerhin war er ein Freund von Ninus. Das gab den Ausschlag.
Bevor sie losgingen, fiel ihr noch etwas ein. »Sagen Sie mir bitte: Wie geht es
Lena Rotmilch?«
    »Sie wurde operiert. Ist wohl ganz
gut gelaufen. Die Nacht wird es entscheiden. Ninus sitzt an ihrem Bett und
tätschelt ihr brav das Händchen. Vielleicht schafft sie es.«
    »Ach, und noch etwas. Wissen Sie,
wo meine Handtasche abgeblieben ist?«
    »Ja. Sie steht auf meinem
Schreibtisch und wartet auf Sie. Bevor Sie wieder losschimpfen, ich habe sie
nicht durchsucht. Noch nicht. Folgen Sie mir einfach, bevor Ihnen noch mehr
Fragen einfallen. Ich will endlich meine neu entdeckte Kaffeesorte
ausprobieren.«

     
    Wie spät mag es wohl sein, fragte sich Carla. So
gegen 15 Uhr hatte mich Wanninger im Krankenhaus abgeholt. Über zwei
Stunden war ich in seinem Büro, die Überführung hierher und die
Aufnahmezeremonie hat bestimmt eine Stunde gedauert. Wie lange liege ich
bereits auf dieser Pritsche? Keine Ahnung. Wie schnell das Zeitgefühl verloren
geht, wenn man keine äußeren Signale erhält. Wie auf Kommando ging das Licht in
der Zelle aus. Ein äußeres Zeichen. 22 Uhr. Carla rollte sich auf die Seite,
zur falschen, wie sie schmerzhaft erinnert wurde, drehte sich mit dem Gesicht
zur Wand und versuchte, zu schlafen. Tatsächlich döste sie ein, um sofort
wieder hochzuschrecken. Sie war zu aufgewühlt, fand keine Ruhe. Ob man hier
Schlaftabletten bekam? Besser noch wäre eine Beruhigungsspritze. Wieder
dämmerte sie dahin, wieder schreckte sie hoch. Die toten Augen ihres Bruders
hatten sie angestarrt. Paul, wie er auf dem Treppenabsatz lag. Wie vor vier
Jahren. Die Bilder schoben sich übereinander.

     
    Es war Anfang
Oktober 2004. Carla hatte bei ihrem Arbeitgeber in London Urlaub genommen, um
ein paar Tage nach Deutschland zu reisen. Zum ersten Mal seit Joes Selbstmord.
Am 10. Oktober war sein siebter Todestag und wäre sein 42. Geburtstag gewesen.
Wie er wohl aussähe? Carla saß in der Küche ihres Hauses in Erbach.
Zentimeterdick lag der Staub auf den Möbeln. Es war stickig und roch vermodert.
Sie hatte alle Fenster und Türen aufgerissen, eine frische Herbstbrise zog
durch das alte Gemäuer. Eigentlich sollte sich Paul um das Haus kümmern, sollte
ab und zu herfahren und jemanden beauftragen, der sauber machte und nach dem
Rechten sah. Auf Paul war schon immer wenig Verlass gewesen. Vielleicht war es
eine Zumutung, ihn damit zu beauftragen, sieben Jahre lang ein leeres Haus zu
betreuen? Erst wollte sie ihren Vater bitten, das Haus zu verkaufen. Die vielen
schönen Erinnerungen wurden von dem letzten Bild überdeckt, das den am Boden
liegenden Johannes, die Pistole und das Loch in seiner Schläfe zeigte.
Letztendlich konnte sie sich doch nicht davon trennen. Vielleicht würde sie
irgendwann wieder nach Deutschland zurückkehren, vielleicht würden die schönen
Erinnerungen die bösen überlagern, vielleicht, vielleicht. Jetzt saß sie hier,
alleine in einem einsamen Haus, und bezweifelte, ob ihre Entscheidung,
herzukommen, die richtige war. Eigentlich will ich nur ein paar Blumen auf Joes
Grab legen, ein paar Stunden dort sitzen, ihm von meinem neuen Leben ohne ihn
erzählen und sofort wieder zurück nach London fliegen. Sich bei niemandem
melden, keinen Kontakt suchen. Still und heimlich kommen, still und heimlich
wieder verschwinden. Keine Spuren hinterlassen, nur ein paar frische Blumen auf
einem Grab. Ganz schön melodramatisch, bewertete sie ihre Gedanken. Ihr fiel
ein, dass ihre Schwester am Telefon erzählt hatte, sie gäbe heute eine Party.
Julias Mann Wolfgang war zum Staatsanwalt ernannt worden, mit 32 Jahren, wie
Julia stolz betonte, und das musste gefeiert werden. Das wäre ein Knaller, wenn
ich mich dort sehen ließe. Überraschung aus London. Warum eigentlich nicht.

     
    Das Hallo war groß, als Carla unverhofft
auftauchte. Julia freute sich überschwänglich. Wolfgang fühlte sich
geschmeichelt, dass sie extra wegen ihm herübergekommen war. Es war ein schöner
spätherbstlicher Abend. Viele Gäste hielten sich nicht nur im Haus auf, sondern
standen gut gelaunt

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