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Sonnensturm

Sonnensturm

Titel: Sonnensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
Bewegung namens Ökumene angeschlossen, einem
Grassroots-Netzwerk von Leuten, die – hauptsächlich im
Verborgenen – nach einem Weg suchten, die großen
Weltreligionen zu einer Art Koexistenz zu bewegen. Dabei
appellierten sie im Wesentlichen an ihre tiefen gemeinsamen
Wurzeln. Auf diese Weise würden vielleicht die positiven
Seiten des Glaubens – die moralischen Lehren, die
unterschiedliche Deutung des Platzes der Menschheit im Universum
– befördert. Wenn es schon nicht möglich war, die
Menschen von der Religion zu befreien, so wurde argumentiert,
sollte man wenigstens dafür sorgen, dass sie keinen Schaden
durch sie nahmen.
    »Dann sind Sie also ein Karriere-Soldat«, sagte
Siobhan staunend, »der vom Mond lebt und seine knapp
bemessene Freizeit mit theologischen Studien zubringt.«
    Er lachte – ein abgehackter Laut, wie wenn der Hahn
einer Pistole gespannt würde. »Ich bin ein
authentisches Produkt des 21. Jahrhunderts,
stimmt’s?« Er schaute sie an und wirkte
plötzlich beinahe schüchtern. »Aber ich habe viel
gesehen. Wissen Sie, mir scheint, dass wir uns noch in meiner
Lebenszeit allmählich aus dem Nebel heraustasten. Wir
töten einander nicht mehr mit ganz so viel Begeisterung wie
noch vor einhundert Jahren. Wenn die Erde wegen grober
Fahrlässigkeit auch den Bach runtergegangen ist, bekommen
wir diese Probleme trotzdem wieder in den Griff. Doch nun das, der Ärger mit der Sonne. Zeugt es nicht von
einer gewissen Ironie, dass, wo wir endlich erwachsen werden, der
Stern, der uns geboren hat, uns den Garaus machen
will?«
    Ja, das ist wirklich ironisch, sagte sie sich unbehaglich. Und
ein seltsamer Zufall, dass gerade in dem Moment, wo wir von der
Erde ausgreifen, wo wir imstande sind, auf dem Mond zu leben, die
Sonne uns verbrennen will… Wissenschaftlern stehen
Zufällen skeptisch gegenüber; für sie bedeutet das
nur, dass man eine zugrunde liegende Ursache übersehen
hat.
    Oder dass du einfach nur paranoid wirst, Siobhan, sagte sie
sich.
    »Es gibt bald Frühstück«,
verkündete Bud, »doch vorher zeige ich Ihnen noch eine
Sehenswürdigkeit – unser Museum. Wir haben dort sogar Apollo-Mondgestein! Wussten Sie schon, dass drei der von
den Apollo-17-Astronauten durchgeführten
Kernbohrungen nie geöffnet wurden? Die Menschen haben den
Mond nämlich schon ganz schön verpfuscht. Also haben
wir uns die Mühe gemacht, unberührtes Apollogestein zurück zum Mond zu bringen, damit die
Wissenschaftsfritzen diese Proben als Referenzmaterial benutzen
konnten: Brocken jungfräulichen Mondgesteins, bevor wir es
in die Hände bekamen…«
    Siobhan erwärmte sich zunehmend für diesen
rustikalen Burschen. Es ließ sich wohl nicht vermeiden,
dass eine Basis wie diese eine ausgeprägte militärische
Aura verströmte: Das Militär mit seinen Unterseebooten
und Raketensilos hatte mehr Überlebenserfahrung in
chaotischen, unnatürlichen und engen Unterkünften als
irgendjemand sonst. Und sie musste von den Amerikanern geleitet
werden. Die Europäer, Japaner und der Rest hatten zwar viel
Geld für diesen Stützpunkt bereitgestellt, doch wenn es
darum ging, unberührte Gebiete wie den Mond zu
erschließen, verfügten nur die Amerikaner über
die materiellen Möglichkeiten und den notwendigen
Pioniergeist. Und Oberst Bud Tooke verkörperte für sie
den Idealtypus des Amerikaners: zäh, kompetent, erfahren,
entschlossen und von einer Vision erfüllt, die seine eigene
Lebenszeit bei weitem überstieg.
    Sie würde mit ihm zurechtkommen, sagte sie sich –
und hegte dabei die zarte Hoffnung, dass sich noch mehr zwischen
ihnen entwickeln möge.
    Während sie weitergingen, wurde das künstliche Licht
der Kuppel immer heller und verhieß den Beginn eines neuen
Tags auf dem Mond.

 
{ 11 }
DAS AUGE DER ZEIT
     
     
    Während die Monate vergingen und London sich langsam vom
9. Juni erholte, spürte Bisesa, dass die Stimmung in der
Stadt sich eintrübte.
    In den paar Stunden des Sturms selbst hatten Chaos und Angst
geherrscht – und es hatte Tote gegeben, über tausend
Opfer allein in der Innenstadt. Und doch war es eine Zeit des
Heldentums. Es lagen noch immer keine offiziellen
Schätzungen vor, wie viele Menschen aus den Flammen gerettet
worden waren, aus U-Bahn-Schächten, in denen sie gestrandet
waren oder aus Verkehrsstaus oder aus profanen Todesfallen wie
stecken gebliebenen Aufzügen.
    In den unmittelbar darauf folgenden Tagen hatten die

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