Sonnensturm
reagierte überhaupt nicht; sein Blick schweifte in
die Ferne, als ob er sich der Menschen um sich herum nicht
bewusst wäre.
»Und dann kontrolliert man der Einfachheit halber gleich
noch den Informationsfluss vom Mond. Ist natürlich reiner
Zufall«, sagte Michail trocken.
Siobhan runzelte die Stirn. »Wir brauchen diese strengen
Sicherheitsmaßnahmen, mein Herr. Die Regierungen haben
nämlich noch keine Ahnung, was alles auf sie zukommt. Und
bis es ihnen bewusst wird, muss
›Informationsmanagement‹ stattfinden. Eine Panik
könnte selbst wieder eine Katastrophe
auslösen.«
Rose ließ es dabei bewenden, schaute aber immer noch
finster. Siobhan hoffte, dass sie sich nicht schon einen Feind
gemacht hatte.
»Wir sollten uns bewusst werden, dass wir alle in einem
Boot sitzen«, sagte sie mit gezwungener Fröhlichkeit.
»Doktor Martynov, ob Sie wohl in der Lage wären, einer
dummen Kosmologin zu erklären, wie die Sonne eigentlich funktionieren sollte.«
»Es wird mir ein Vergnügen sein.« Mit
theatralischem Gestus erhob Michail sich und ging zur Stirnseite
des Raums.
»Alle Kosmologen wissen, dass die Sonne durch
Fusionsbrand angetrieben wird. Was die meisten Kosmologen aber
nicht wissen, ist, dass nur das innerste Herz der Sonne ein
Fusionsreaktor ist. Der Rest sind quasi
Spezialeffekte…« Michails russischer Akzent war dick
aufgetragen wie bei einem Filmschauspieler, aber ziemlich
effektvoll.
Während ihrer Ausbildung hatte Siobhan natürlich die
Sonne studiert. Sie hatte gelernt, dass die Sonne – wie
alle Sterne – im Prinzip einfach ist, doch als
erdnächster Stern war die Sonne bis ins kleinste Detail
untersucht worden. Dann erwies das ›Detail‹ sich
als höchst komplex und war auch nach jahrhundertelangen
Studien erst in Grundzügen bekannt. Und es war dieses
›detaillierte‹ Verhalten, das die Menschheit nun zu
gefährden schien.
Die Sonne ist eine Kugel aus Gas – hauptsächlich
Wasserstoff – mit einem Durchmesser von mehr als einer
Million Kilometern. Also so breit wie hundert an einer Schnur
aufgezogene und so massiv wie eine Million Erden. Die Quelle
ihrer gewaltigen Energieerzeugung ist ihr Kern, ein Stern im
Stern, wo in komplizierten Reaktionsketten umherschwärmende
Wasserstoffkerne zu Helium und anderen, schwereren Elementen
verschmelzen.
Die Fusionsenergie muss dann vom heißen Kern durch den
Sonnenkörper zur Kältesenke des Raums transportiert
werden; dies geschieht durch Temperaturunterschiede, die ebenso
effizient wirken wie ein Druckkopf, der Wasser durch eine
Rohrleitung treibt. Um den Kern liegt jedoch ein dicker
Gürtel wabernden Gases: Die so genannte
›Strahlungszone‹ gleicht einer Brandmauer, durch
die die innere Wärme in Form von Röntgenstrahlung
entweicht. In der nächsten Schicht, der
›Konvektionszone‹, hat die Dichte sich auf ein
Niveau reduziert, wo die Sonnenmaterie kochen kann – wie in
einer auf dem Herd stehenden Pfanne mit Wasser. Hier setzt die
Kernwärme ihre Reise zum All fort, indem sie riesige
Konvektionstüllen befeuert, von denen jede vielfach
größer ist als die Erde. Und dabei pflanzt sie sich
kaum schneller als im Schritttempo fort. Über der
Konvektionszone liegt die sichtbare Oberfläche der Sonne,
die Photosphäre, die Quelle des Sonnenlichtes und der
Sonnenflecken. Und wie am Umfang einer Pfanne mit kochendem
Wasser Zellen sich herausbilden, brodeln auf der Sonne Granule,
die in steter Veränderung begriffen sind und die
Photosphäre wie ein römisches Mosaik strukturieren.
So gewaltig und komprimiert sind diese Schichten, dass die
Sonne fast nichts durchlässt außer ihrer eigenen
Strahlung. Das Energieäquivalent eines Photons bräuchte
Millionen von Jahren, um sich vom Kern bis zur Oberfläche
durchzukämpfen.
Ist die Kernenergie ihrem Käfig aus Gasen jedoch erst
einmal entkommen, beschleunigt sie wie in unbändigem
Freiheitsdrang auf Lichtgeschwindigkeit und wird selbst zu Licht.
Dabei breitet sie sich mit zunehmender Entfernung von der Sonne
aus. Auf der Höhe der Erde, etwa acht Lichtminuten von der
Photosphäre entfernt, hat das Sonnenlicht noch immer eine
Strahlungsleistung von einem Kilowatt pro Quadratmeter –
und noch in einer Entfernung von Lichtjahren ist das Sonnenlicht
so hell, dass man es mit einem unbewaffneten Auge sehen kann.
Außer dem Licht, das sie ausstrahlt, atmet die Sonne
auch noch einen steten Schwall heißen Plasmas in die
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