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Sonst kommt dich der Jäger holen

Sonst kommt dich der Jäger holen

Titel: Sonst kommt dich der Jäger holen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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kehrte zurück. »Stimmt.«
    »Eine Erfahrung, die man keinem wünscht«, erwiderte der.

53
    Bei jedem Viertelstundenglockenschlag, der von der Kirche fiel, nahm ich mir vor, von hier zu verschwinden. Aber dann blieb ich doch im Treppenhaus vor Felix’ Tür sitzen. Ich würde einen Teufel tun und ohne Verstärkung nach Hause gehen. Von ungebetenen Besuchern hatte ich genug. Meine rechte Schulter und meine linke Hüfte schmerzten. Ich konnte nicht rekonstruieren, wie das geschehen war. Alles im Rahmen. Hauptsache, kein Messer.
    »Franza!«
    Mein Name und Flippers begeistertes Hecheln. Felix’ Hände, Arme. Er zog mich hoch. »Wie siehst du denn aus? Franza! Was ist passiert?« Er sperrte seine Wohnung auf, stützte mich, trug mich fast, da wurde ich schwach und schwächer, so schwach wie die Architektinnen und Zahnärztinnen aus der Umkleidekabine, und ich wollte es ganz bestimmt nicht, doch ich fing zu weinen an.
    Felix setzte mich aufs Sofa und fragte mehrmals, was passiert war, aber ich konnte nicht antworten. Denn das, was geschehen war, wurde immer schlimmer, von Minute zu Minute. Als würde es mich erst allmählich erreichen, hier, wo ich mich sicher fühlte. Felix brachte mir ein Glas Wasser. Endlich konnte ich ihm das Wenige erzählen, woran ich mich erinnerte. Da wurde er zum Kommissar. Von wo die zwei Männer gekommen seien, ob es wirklich zwei gewesen seien, wie sie ausgesehen hätten, ob der dritte mich verfolgt habe, ob mir nicht doch etwas aufgefallen sei, wie ich mich gewehrt hätte, ob ich mir vorstellen könnte, wer das gewesen sei und so weiter.
    Seine Fragen, obwohl er sie leise und einfühlsam stellte, empfand ich wie Stiche. Sie stichelten an meinem ganzen Körper herum, quälten mich. Und auf einmal begriff ich, warum es mit uns nichts werden konnte. Die Erkenntnis traf mich wie ein Eimer Eiswasser. Ich brauchte keinen Kommissar. Einen Freund hätte ich mir jetzt gewünscht, der mich einfach festhielt. Genau das konnte Felix mir nicht geben.
    »Glaubst du, sie haben dich gemeint?«, fragte er und beantwortete sich die Frage selbst. »Das war kein Zufall. Wenn wir zurzeit ein Volksfest hätten am Mariahilfplatz, wenn Dult wäre, da gibt es öfter Betrunkene, die durch die Gegend ziehen und Streit anfangen. Aber Dult ist nicht.« Felix sah nur immer seine Fälle. So war das gewesen, als wir uns kennengelernt hatten, und so war es weitergegangen. Immer hatte das Telefon geklingelt, er musste weg. Das war der Grund, warum es mit uns nichts werden konnte. Jetzt hatte ich es kapiert. Am eigenen Leib sozusagen. Es war nicht nur die Angst um ihn, die mich von einer Beziehung mit ihm abhielt. Er brachte die Gefahr mit nach Hause. Ich steckte schon wieder in Schwierigkeiten, für die ich nichts konnte. Ich war kein Zufallsopfer. »Die haben mich gemeint.« Ich beschrieb Felix die Schlinge.
    »Sie waren auf einen Hund vorbereitet.«
    »Lebend wollten sie ihn wahrscheinlich nicht!« Meine Stimme klang leicht hysterisch. Felix legte seinen Polizistenarm um mich und musterte mich nachdenklich. »Wieso bist du ins Visier von denen geraten?«
    »Ich hab nichts gemacht!«, rief ich.
    »Nein, natürlich nicht. Du machst ja nie was. Du rutschst immer völlig unschuldig überall rein.«
    Er hatte das gutmütig gesagt, doch ich stemmte mich trotzdem hoch.
    »Wo willst du hin?«
    »Darf ich bitte mal pipi, Herr Kommissar?«
    Im Bad drehte ich den Wasserhahn auf, um mein Gesicht zu waschen.
    »Nicht duschen!«, rief Felix von draußen. »Wir fahren jetzt zur Polizei. Es könnte sein, dass man an dir DNA -Spuren der Täter sicherstellen kann.«
    »Ich bin hier bei der Polizei«, sagte ich.
    »Dafür bin ich nicht zuständig«, stellte Felix klar. »Die Kollegen deiner Polizeiinspektion sollen das aufnehmen. Und du musst untersucht werden. Ich begleite dich.«
    »Ich will nicht.«
    »Wir fahren jetzt. Solltest du auf die Idee kommen, dich zu widersetzen, leg ich dir Handschellen an.«
    »Aber was soll ich denn aussagen? Wenn ich erzähle, was ich glaube, wie alles zusammenhängt, dass das wahrscheinlich Russen waren, dann bringe ich dich wieder in Schwierigkeiten!«
    Felix schaute nach oben, als erwartete er von dort eine Antwort. Dann atmete er laut aus. »Damit hast du womöglich recht. Aber das bedeutet nicht, dass wir diesen Überfall unter den Tisch kehren. Mit Jensen gibt es ohnehin keinen Zusammenhang, und da die Russen in diesem Fall nicht existieren, kann es auch keine Verbindung zu ihnen geben. Das bedeutet,

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