Sophies Melodie (German Edition)
irgendwas, doch Sophie nahm die Worte kaum wahr. Plötzlich aber spürte sie eine gewisse Erwartungshaltung der anderen Personen im Raum, die sie aufzurütteln schien, soals würde sie jemand viel zu grob aus tiefem Schlaf wecken.
Unsicher sah sie zu Constantin auf, der dicht neben ihr stand und sie anschaute. Sein Gesichtsausdruck wirkte undurchdringlich und hart, aber das war ja nichts Neues für sie. Als sie unvermittelt die Wärme seiner Hände auf ihren Schultern fühlte, zuckte sie leicht zusammen. Constantin beugte sich zu ihr herunter, und dann spürte sie, wie sein Mund ihre Lippen berührte. Zuerst schien er den Kuss nur andeuten zu wollen, doch dann hörte sie ihn tief durchatmen, und er zog sie fester an sich. Der Kuss intensivierte sich. Fast automatisch teilten sich ihre Lippen und kamen den seinen willig entgegen.
Die Hitze durchflutete Constantins Körper unerwartet und umfassend. Ihre Lippen waren viel zu weich, viel zu nachgiebig und viel zu süß. Er vergaß praktisch schon im allerersten Augenblick des Berührens, wo er sich befand. Sein Gehirn war blitzartig wie leer gefegt und zu keinem klaren Gedanken mehr fähig. Alles, was er in diesem Moment noch wahrnahm, war die umfassende Befriedigung und das gleichzeitig auflodernde Verlangen nach mehr von diesem berauschenden Gefühl.
Er hatte anfänglich vorgehabt, Sophie einen kurzen Kuss aufzudrücken, um zumindest andeutungsweise die spürbare Erwartung des freundlichen und offenbar sehr romantisch veranlagten Standesbeamten zu erfüllen. Doch nun konnte sein gieriger Mund einfach nicht mehr von diesen süßen Lippen lassen. Als Constantin seine Zungenspitze über den Rand ihrer Unterlippe gleiten ließ, hörte er sich selbst leise aufstöhnen.
Dann, wie aus weiter Ferne, vernahm er ein lautes Räuspern, und sein Verstand setzte auf der Stelle wieder ein. Fast ruckartig unterbrach er den Kuss und rückte von Sophie ab. Er registrierte nur nebenbei, dass sie leicht schwankte und ihr dunkler Blick verhangen und entrückt wirkte.
Der Standesbeamte versuchte offenbar, ein Grinsen zu unterdrücken, als Constantin ihn wieder ansah. Auch bei den obligatorischen Glückwünschen und der anschließenden Verabschiedungfiel es dem armen Kerl noch immer schwer, eine angemessene Miene beizubehalten.
Sophie und Constantin vermieden es von nun an, sich überhaupt nur anzusehen – und daran änderte sich auch während des gemeinsamen Abendessens nichts. Irgendwie brachten sie das Essen, die Unterhaltungen und die Verabschiedung von Fabian und Helen hinter sich, und auch Judith von Wenningen und Johannes Kramer blieben danach nicht mehr sehr lange. Es wollte Sophie und Constantin an diesem Abend einfach nicht mehr gelingen, auch nur annähernd unterhaltsam zu sein.
Wortlos fuhren sie schließlich mit dem Privataufzug nach oben in ihre Suite. Sophie heftete den Blick auf ihren Rosenstrauß, und Constantin starrte die Aufzugtüren an, bis sie sich endlich wieder öffneten.
„Ich werde noch etwas trinken“, entschied Constantin, als sie oben angekommen waren. „Was ist mit dir? Noch einen Saft vielleicht? Oder soll ich dir noch einen Tee kommen lassen?“
„Nein, danke.“ Sophie musste husten. „Ich bin sehr müde und werde mich besser gleich hinlegen.“
„Gut. Dann schlaf gut, Frau Afra.“
„Danke, du auch.“ Ihre Stimme klang ebenso belegt wie seine. Für einen winzigen Moment trafen sich noch einmal ihre Blicke, dann wandte sie sich von ihm ab.
„Sophie?“
„Ja?“ Etwas zu hastig machte sie auf dem Absatz kehrt und sah ihn erwartungsvoll an.
„Ach, ist schon gut. War nicht weiter wichtig.“ Er winkte ab und drehte ihr nun seinerseits den Rücken zu. Sophie seufzte leise, dann ließ sie ihn allein.
Zu Sophies großem Kummer veränderte sich ihr angespanntes Verhältnis auch in den ersten Wochen nach der Hochzeit kaum. Constantin hielt sich offenbar bewusst von ihr fern. Die wenigenGespräche, die er mit ihr führte, waren kurz und drehten sich in der Hauptsache um das Kind und dessen näher rückende Ankunft.
Sophie selbst war inzwischen immer häufiger total erschöpft und ständig müde. Die fortschreitende Schwangerschaft machte ihr nun sehr zu schaffen. Wenn sie nicht gerade mit einem riesigen Kissen im Rücken am Schreibtisch des Wohnraumes saß und arbeitete, lag sie auf ihrem Bett und las. Das Sitzen vor ihrem Laptop fiel ihr immer schwerer. Unterdessen verschlief sie oft ganze Nachmittage. Die kostbaren Stunden, die sie dabei
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