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SOS Kinderseele: Was die emotionale und soziale Entwicklung unserer Kinder gefährdet - - und was wir dagegen tun können (German Edition)

SOS Kinderseele: Was die emotionale und soziale Entwicklung unserer Kinder gefährdet - - und was wir dagegen tun können (German Edition)

Titel: SOS Kinderseele: Was die emotionale und soziale Entwicklung unserer Kinder gefährdet - - und was wir dagegen tun können (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Winterhoff
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auf Unterricht angewiesen, in dem der Lehrer sie auf sich bezieht. Es muss also erst ein Fundament geschaffen werden, damit beispielsweise in der Schule das Erlernen der Kulturtechniken möglich ist. Kinder mit einer altersgemäß gebildeten Psyche besitzen die bereits erwähnte intrinsische Motivation, sie wollen von ganz allein lesen, schreiben und rechnen lernen.
    Daher empfiehlt es sich für den Lehrer, in Momenten, in denen ein Kind »abgetaucht« ist und den Lehrer spürbar nicht registriert, kurz innezuhalten, also Ruhe zu bewahren und nicht direkt mit Druck zu sagen, was er möchte. Falls das Kind nicht reagiert, muss der Lehrer es in aller Ruhe noch einmal deutlich ansprechen. Im Allgemeinen wird dann eine Reaktion erfolgen. Erst wenn die Aufmerksamkeit da ist, sollte der Lehrer im Nebensatz sagen, was er vom Kind möchte, zum Beispiel: »Nimm dir bitte ein Blatt Papier!« Dieser Wunsch hat jedoch keinerlei erzieherische Wirkung, es geht nur darum, dem Kind deutlich zu machen, dass da ein Mensch ist, der etwas von ihm möchte. Der Erwachsene sagt dem Kind im Grunde nur: »Hallo, mich gibt es!«
    Ähnliches gilt umgekehrt, also, wenn das Kind etwas vom Erwachsenen möchte. Mein Ratschlag für Erwachsene – seien es Eltern oder Lehrer – lautet in diesem Fall: Versuchen Sie, auf eine Forderung des Kindes nicht sofort, sondern mit leichter Verzögerung zu reagieren, etwa, indem Sie innerlich leise bis drei oder vier zählen und sich erst dann dem Kind zuwenden. Altersgemäß entwickelten Kindern schadet das nicht, bei Kindern, die Nachreifung benötigen, bricht dieser kleine Trick genau die Routine auf, die sich ihnen in der Symbiose fest eingeprägt hat. Der Erwachsene ist plötzlich nicht mehr der »Gegenstand«, der immer sofort reflexartig reagiert, sondern »Mensch«, und als solcher reagiert er betont verzögert. Erwachsene, die nicht in einer Beziehungsstörung sind, leisten diese Verzögerung bei kleinen Kindern ohnehin intuitiv und signalisieren damit den Unterschied zwischen Gegenstand und Mensch.
    Eines sollte man sich allerdings von vornherein klarmachen: Die betonte Verzögerung durchzuhalten, fällt schwer. Die Kinder sind ja nur psychisch Kleinkinder, nicht biologisch. Sie werden also über ihre Intelligenz und Sprachfähigkeit immer wieder versuchen, ihr Weltbild zu bestätigen. Wenn die Erwachsenen darauf, wie eben beschrieben, mit Verzögerung reagieren, können diese Kinder sehr penetrant und nervig werden, was wiederum die Erwachsenen aushalten müssen. Das ist nicht einfach, man kann es aber erlernen und üben.
    Solche kleinen Veränderungen im Verhalten von Erwachsenen gegenüber Kindern klingen sehr unspektakulär, sind es wohl auch, wirken aber bisweilen Wunder. Es geht dabei immer nur darum, dem Kind ein Gespür dafür zu vermitteln, dass es nicht von beliebig steuerbaren Gegenständen umgeben ist, sondern von anderen Menschen, die sich ihm gegenüber individuell verhalten.
    Was ich beschreibe, ist kein pädagogisches Handeln in dem Sinne, dass Erwachsene den Kindern Grenzen setzen sollen. Es ist einfach nur ein intuitiv vom anderen Individuum, in diesem Fall dem Kind, abgegrenztes Verhalten, das zeigt: »Hier bin ich, dort bist du, und wir sind zwei verschiedene Menschen mit verschiedenen Bedürfnissen.«
    Wenn Erwachsene sich wie beschrieben verhalten, bildet sich beim Kind die emotionale Psyche heran, die mit zunehmendem Alter dafür verantwortlich ist, dass das Kind sich in eine Gruppe einfügen kann, ohne diese durch sein egozentrisches Verhalten zu sprengen. Auch das werfen manche Pädagogen gern manchmal schon fast bösartig, mit »gruppenkonformem Verhalten« im negativen Sinne in einen Topf – als widerspräche die Fähigkeit, sich in eine Gruppe einzufügen, ohne dieser zu schaden, der Fähigkeit, im Rahmen dieser Gruppe individuelle Stärken zu zeigen.
    Im Gegenteil: Eine gebildete emotionale und soziale Psyche macht Kinder und Jugendliche stark. Sie können das Selbstbewusstsein entwickeln, ihre Fähigkeiten einzusetzen und weiterzuentwickeln, ohne dabei egoistisch und schädigend für andere Menschen vorzugehen.

Wir müssen aufhören, die Kinder zu betrügen!
    Im Juni 2012 machte die Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen mit einem erstaunlichen Vorschlag kurzzeitig Furore in den Medien. Soeben war mit der Firma Schlecker eine der größten Drogerieketten der Republik wirtschaftlich in die Knie gegangen, und es standen Hunderte von Arbeitsplätzen auf dem Spiel.

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