Soucy, Gaetan
Hölle und des Herzens gedient, wenn er nun derart behandelt wurde, von einem Dorf voller Ignoranten? Er hatte sich freien Willens in Stücke zerlegt, wie man eine Sparbüchse zerschlägt, er hatte seine Begabung als Brandopfer dargegeben – wer von ihnen konnte die Tragweite dieses Opfers ermessen? Im Ausbruch seiner Empörung war Louis versucht, alles aufzugeben, voller Verachtung, ohne Umschweife abzureisen ohne weitere Erklärung.
Doch bestand darin zugleich die Versuchung, vor der Aufgabe zu fliehen, die er sich auferlegt hatte, das wussteer, und er bäumte sich auf, fand sich wieder in seine Entscheidung ein. Er würde sein Wort sich selbst gegenüber halten. War das wieder Egoismus, wieder Eitelkeit? Sei es. In jedem Fall war er nicht imstande, hier noch eine Minute länger zu verharren. Er entschloss sich, ins Dorf zu gehen und in der Herberge zu warten, in der Kirche, auf dem Wege, wo auch immer. Auf seiner Uhr war es Viertel nach vier: Er würde gegen sechs Uhr zu den von Crofts zurückkehren. Er überlegte, ob er ihnen eine Nachricht hinterlassen sollte, damit sie Bescheid wüssten. Aber er griff sich seinen Koffer, seinen Mantel, seinen Hut und ging. Allein die Vorstellung, Worte auf Papier zu setzen, löste in ihm einen Brechreiz aus.
Der Kirchturm erschien oben am Hang, fünf Minuten Fußmarsch entfernt. Bapaume überquerte die Felder und stieß auf die Landstraße. Er lief starrsinnig seines Weges, fluchte zwischen zusammengebissenen Zähnen. Ein einziger Windhauch fegte den Schnee über den Boden und bog die Wipfel der Bäume, vermischte das Klirren der Zweige mit dem der Sterne, Bapaume wollte dem Wind entgegenschreien, er solle still sein. Ein orangenes Licht erhob sich über dem Hügel und ließ seine Umrisse stärker hervortreten, wie bei einer Mauer, hinter der man Feuer gemacht hatte. Auf der anderen Seite der Landstraße, ein Stück vor ihm, ging eine Gestalt ebenfalls in Richtung des Dorfes. Er konnte sie kaum erkennen, aber am Gang erahnte er, dass es sich um Maurice handelte. Er rief nach ihm. Die Gestalt drehte sich nicht um.
Louis beschleunigte den Schritt, um den Jungen einzuholen, doch je weiter er vorankam, desto mehr stieg und wandte sich der Weg, und bald war der Hang sosteil, dass er innehalten musste, um wieder Atem zu schöpfen.
»Warte! Ich muss dir etwas sagen! …«
Aber der Junge ging immer schneller, es schien, als wolle er fliehen. Mit letzter Kraft fing auch Bapaume zu laufen an. Er schaffte es, ihm die Hand auf die Schulter zu legen. Erst da erkannte er seinen Irrtum. Es war noch ein Kind, sicher nicht älter als zwölf Jahre. Es versuchte, sich zu entwinden, aber Louis hielt es am Pelzkragen fest.
»Hilf mir, ich glaube, ich werde ohnmächtig.«
Er stützte sich für die letzten Meter des Hanges auf das Kind. Er riss den Jungen von der Straße, fortgezogen von seinem eigenen Gewicht, taumelte wie ein Ring, kurz bevor er fällt, sank an einen Baum nieder.
»Du bist nicht Maurice«, sagte er atemlos, halb irr.
»Nein, Monsieur. Ich heiße Gérard.«
Mit dem Rücken an den Baum gelehnt, versuchte Bapaume, ihm zuzulächeln, trotz der Grimassen, die ihm seine brennende Lunge abrang.
»Was bist du, sag? Ein Stachelschwein?«
»Ich verstehe nicht, Monsieur.«
»Schon gut … lass …«, sagte Louis und wedelte schwach mit der Hand.
Der kleine Junge betrachtete den Reisenden mit jener ernsten Miene, die Kindern eigen ist, wenn sie spüren, dass sie etwas nicht verstehen. Er kam mit seinen Fäustlingen näher und legte sie Louis an die Ohren, um sie zu wärmen.
»Ah, verstehe. Ein guter Samariter, nicht wahr …?«
»Ein guter Montagnais, Monsieur.«
»Ganz recht, ganz recht. Nur bei den Montagnais heißen die Stachelschweine Gérard.«
Der Junge stand ein wenig zu ihm gebeugt, und Louis sah ihn vor einem Grund aus Sternenhimmel. Der Puls pochte gegen seine Schläfen, vernebelte ihm den Blick, verhundertfachte die Sterne, ließ sie überall im Haar des Jungen erstrahlen. Er schloss die Augenlider, um das Entsetzen in seiner Brust zu beruhigen. Er deutete Gérard an zu gehen. Er glaubte, gleich vor Erschöpfung sterben zu müssen. Die Aussicht machte ihm keine Angst. Letzten Endes, entdeckte man seine Leiche hier am nächsten Tag, erstarrt in seinem Geheimnis … würde niemand verstehen, weshalb dieser Mann zum Sterben hierher gekommen war, die von Crofts noch weniger … Doch das wäre eine arglistige Rache, und Bapaume verstieß die Versuchung. Er öffnete
Weitere Kostenlose Bücher