Späte Familie
ohne seine vielen vorwurfsvollen Blicke, ist sie inhaltsleer geworden und hat sich in ein Gefühl der alltäglichen Pflicht einer Mutter ihrem Sohn gegenüber verwandelt, der manchmal angenehm und liebenswürdig ist, ein andermal aber lästig und anstrengend. Es erweist sich, dass ausgerechnet Amnons Anwesenheit meine Liebe zu Gili vergröÃert und sie mit Leben erfüllt hat, ich frage mich, ob es eine Provokation war, wollte ich Amnon beweisen, wie sehr ich fähig war zu lieben, wenn auch nicht ihn, oder versuchte ich ihn über den Jungen an einer einfachen, warmen Liebe teilhaben zu lassen, die eigentlich für ihn bestimmt war, die ich ihm aber nicht direkt schenken konnte.
Erstaunt verfolge ich diese Veränderungen, erschrecke vor meiner Unfähigkeit, die Zukunft vorauszusehen, entsetzt darüber, wie schnell die Grundsäulen meines Lebens zerbröckeln, und ich weià nicht, ob Gili vor mir gefühlt hat,dass ich ihm verloren gegangen bin und er sich mir deshalb entfremdet hat, aber die Zeit ist mir hinterhergelaufen und hat mich ausgelacht, lass dir Zeit, hat sie gesagt, ein trügerisches Heilmittel ist sie, die Zeit, eine anhaltende Steinigung.
Hör auf, dich selbst zu bestrafen, sagt Dina jetzt, vor lauter Schuldgefühlen gibst du dir keine Möglichkeit, dich zu erholen, ich habe dir doch gesagt, dich hat eine starke Kraft zu diesem Schritt getrieben, verleugne sie nicht so schnell, lass die Dinge sinken, du wirst schon noch aufblühen, das verspreche ich dir. Als es auf die Trennung zuging, hast du alles Gute vergessen, das zwischen euch war, und jetzt überflutet es dich, aber das sind Schwankungen, die zu erwarten waren, versuche, dich ihnen nicht hinzugeben, sei geduldig. Ich höre ihr zerstreut zu, sehne mich danach, das Gespräch zu beenden, mit ihr und mit allen, die anrufen und anteilnehmende Fragen stellen, es ist noch nicht einmal Stolz, der mich daran hindert zu sagen, wie tief meine Depression ist, wie groà die Reue und die Hoffnungslosigkeit, es fällt mir sogar schwer, die Lippen zu bewegen, ich stimme mit fast geschlossenem Mund zu, erfinde Ausreden, um das Gespräch zu beenden, Gili ruft mich, murmle ich, auch wenn er gar nicht zu Hause ist, ich muss auflegen.
Manchmal scheint es, als wollte ich nur eins, nämlich dass man mich daran erinnert, wie schlecht es uns gegangen ist, dass man mir erzählt, wie wenig wir zusammengepasst haben, wie bedrückt wir bei jener Feier ausgesehen haben, wie wir uns damals, bei dem Picknick, gestritten haben und wie Gili uns angefleht hat aufzuhören und wie wir gar nicht auf ihn geachtet haben, wie alle die Spannungen zwischen uns gespürt haben und wussten, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, aber sogar wenn mir manchmal die richtigen Worte gesagt werden, höre ich sie mir nur zweifelnd an, mitwachsendem Groll, was wisst ihr überhaupt, ihr habt doch keine Ahnung, was wirklich zwischen uns war, und ich möchte nur mit einem Menschen über unsere Zeit als Familie sprechen, ich möchte eines Abends zu ihm in die Wohnung gehen, die er gemietet hat und von der ich noch nicht einmal weiÃ, wo sie sich befindet, nur dass sie ein schönes groÃes Zimmer hat, voller neuer Spielsachen, ich will mich an den groÃen, schwerfälligen Körper drücken und sagen, verzeih mir, Geliebter, ich habe einen Fehler gemacht.
Und diesen Abend plane ich nachts, wenn ich mit klopfendem Herzen aufwache, und morgens, wenn mir der herbstliche Wüstenwind die klebrigen Finger auf die Augen drückt, und in den langen Stunden vor dem Computer, wenn ich versuche, den Aufsatz über Thera abzuschlieÃen, und in den Nachmittagsstunden auf den Spielplätzen, bei den belanglosen Plaudereien mit den anderen Müttern, heute Abend werde ich zu ihm gehen, er wird mir nicht widerstehen können, ich werde ihm versprechen, dass ich mich ändere, dass ich erst jetzt gemerkt habe, wie sehr ich an ihm hänge und ihn liebe, ich werde ihm versprechen, dass alles anders wird, dass ich ihm alles geben werde, was ihm gefehlt hat, dass ich jeden Abend neben ihm auf dem Sofa sitzen und seine Aufsätze lesen werde, ich werde jede Nacht mit ihm schlafen und ihn so akzeptieren, wie er ist, und ich werde nie mehr mit ihm streiten. Du wirst mir eine Familie geben und ich dir eine Frau, ich formuliere die Details unseres Abkommens, noch nie hat es auf der ganzen Welt ein besseres Abkommen als dieses
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