SPIEGEL E-Book: Best of SPIEGEL:Ausgezeichnete SPIEGEL-Autorinnen und Autoren des Jahres 2012 (German Edition)
von dem die Anwohner sagen, es stamme von den Soldaten. Und dem vorausgeschickt sei, dass Assad auf Arabisch Löwe bedeutet: "Seid nicht allzu betrübt! Manchmal tanzen die Hunde auf dem Löwen, aber sie wissen gar nicht, dass es der Löwe ist."
Mitarbeit: Abd al-Kader Adhun;
Veröffentlicht in DER SPIEGEL 30/2012
Die SPIEGEL-Redakteure Markus Dettmer und Janko Tietz wurden mit dem Deutschen Journalistenpreis Wirtschaft Börse Finanzen 2012 in der Kategorie Bildung und Arbeit ausgezeichnet.
Jetzt mal langsam!
Bislang sollten Arbeitnehmer möglichst rund um die Uhr effizient, erreichbar und einsatzbereit sein. Doch viele halten dem Dauerstress nicht mehr stand. Nun suchen ausgerechnet die Unternehmen nach Entspannung und Entlastung – aus betriebswirtschaftlichem Kalkül.
Das Thema Entschleunigung verfolgt Jan Runau bis in seinen Urlaub. Runau ist Kommunikationschef von Adidas, ein lässiger Typ, der auch mal in Badelatschen ins Büro kommt. Eigentlich hatte er sich ein paar Tage freigenommen. Eigentlich meldet seine Mailbox nun jedem automatisch, wie lange er nicht im Büro ist … eigentlich.
Doch dann kommen natürlich dauernd Anfragen. Wie diese SPIEGEL-Bitte um ein Interview mit dem Personalchef des Herzogenauracher Konzerns. Die Themen: Verdichtung in der Arbeitswelt, der steigende Zeitdruck und der Fluch ständiger Verfügbarkeit.
Natürlich ist auch Runau erreichbar, selbst wenn es um Sinn und Wert der Unerreichbarkeit geht und darum, wie sein eigenes Unternehmen mit all diesen Fragen umgeht. Und natürlich hat er dafür das Smartphone und damit sein halbes Büro immer bei sich: Er regle das und werde sich "kommende Woche melden".
Der Adidas-Mann sollte off sein, aber er ist mal wieder on. Ein Manager im Stand-by-Modus – wie viele Millionen Menschen, die ihren Job perfekt machen wollen. Wie auch Jörg Schwitalla.
Der sitzt in seinem gläsernen Büro am Besprechungstisch. Schwitalla hat jetzt 60 Minuten Zeit. Ein großer Mann mit breiten Schultern. Sein ganzes Berufsleben hat der 50-jährige Betriebswirt in der Automobilbranche verbracht; in Deutschland und den USA, in Frankreich und England. "Wir leben heute in einer ganz und gar anderen Welt als noch vor wenigen Jahren", sagt Schwitalla. Früher hieß einer wie er Personalvorstand, heute ist er "Chief Human Resources Officer" des Nutzfahrzeug- und Maschinenbaukonzerns MAN. Früher war das ein deutsches Unternehmen, das alle internationalen Märkte bedient hat. Heute ist es ein globaler Konzern, der nirgendwo und überall zugleich zu Hause ist. Den Unterschied kann man in Flugzeiten messen.
In den 60 Stunden vor dem Gespräch hat Schwitalla fast 20 000 Kilometer zurückgelegt. Am Montag flog er von München zu einer Sitzung des Aufsichtsrats nach São Paulo in Brasilien. Unmittelbar danach ging es zurück nach München. Vom Flughafen fuhr Schwitalla direkt zu einer Konferenz mit 150 MAN-Betriebsräten in Augsburg. Beim anschließenden Essen empfand er "ein Gefühl der Enge".
Als er schließlich am Dienstagabend zum ersten Mal seit zwei Tagen vom Auto aus mit seiner Frau telefonierte, verfuhr er sich trotz Navigationsgerät. "Ich leg jetzt besser auf, und wir sprechen, wenn ich zu Hause bin", so beendete er das Telefonat. Ein moderner Mensch wie viele Millionen, die vor allem funktionieren wollen. Wie auch Joachim Nisch.
Der schraubt zusammen mit seinen Kollegen im Sindelfinger Mercedes-Benz-Werk seit vielen Jahren die C-Klasse zusammen. 73 Sekunden bleiben den Bandarbeitern. 73 Sekunden, um den linken Rückspiegel anzubringen, 73 Sekunden für einen Türgriff, 73 Sekunden für die vordere Stoßstange. "Das Schlimme ist gar nicht mal der Takt", sagt Nisch, "das Schlimme ist die Entmündigung."
Die Mercedes-Monteure entscheiden nichts mehr selbst. Sie dürfen nicht einmal mehr zählen. Automaten spucken mal sieben Schrauben aus, mal fünf. Das Band zu verlassen ist nicht vorgesehen, alle Schritte und Handgriffe sind ergonomisch optimiert. "Irgendwann taucht man ab, engagiert sich nicht mehr", sagt Nisch, der auch Arbeitnehmervertreter ist. "Das Einzige, was noch zählt, ist der Jahresurlaub im Sommer."
Die Arbeitswelt ist der Taktgeber für das gesamte moderne Leben. Ihre Kennzeichen sind Beschleunigung, Verdichtung, Komplexität, Globalisierung. Alles perfekt zu machen ist zur gesellschaftlichen Norm erhoben worden. Diese Faktoren treiben viele bis zur totalen Erschöpfung – auch psychisch.
Die Fehlzeiten der Beschäftigten aufgrund
Weitere Kostenlose Bücher