Spiel der Magier
Mauerkrone zu gehen. Irgendwie hatte er das Gefühl, daß aus jedem Gebäude und jedem Turm Augen zusahen, wie er und der kleine Drasnier das Stück Weg zurücklegten. Die Luft war totenstill und bitterkalt, und die Steinquader der äußeren Brüstung waren mit einem zarten Filigran aus Rauhreif bedeckt.
Wieder ertönte ein Schrei aus dem Tempel, der irgendwo vor ihnen lag.
Die Ecke eines hohen Turms sprang am Ende des offenen Mauerstücks vor, so daß der dahinterliegende Weg verborgen war. »Warte einen Augenblick hier«, flüsterte Silk, als sie vorsichtig in den Schatten traten, und schlüpfte um die Ecke. Garion stand in der eisigen Kälte, seine Ohren lauschten angestrengt auf jedes Geräusch. Er warf einen Blick zu der Brüstung hinüber. Weit draußen in der trostlosen Öde dort unten brannte ein Feuer. Es flackerte in der Dunkelheit wie ein kleiner roter Stern. Er überlegte, wie weit entfernt es wohl sein mochte.
Plötzlich war über ihm ein leises, schabendes Geräusch. Er wirbelte herum, seine Hand fuhr an sein Schwert. Eine undeutliche Gestalt fiel von einem Sims an der Seite des Turms und landete mit katzengleicher Lautlosigkeit unmittelbar vor ihm. Garion roch den vertrauten, säuerlich-beißenden Geruch nach altem Schweiß.
»Es ist lange her, nicht wahr, Garion?« sagte Brill leise mit einem häßlichen Kichern. »Bleib zurück«, warnte Garion und hielt die Spitze seines Schwertes tief, wie Barak es ihn gelehrt hatte.
»Ich wußte, daß ich dich eines Tages allein erwischen würde«, sagte Brill, ohne sich durch das Schwert beeindrucken zu lassen. Er spreizte die Hände und duckte sich, sein schielendes Auge glitzerte im Licht der Sterne.
Garion wich zurück und schwang drohend sein Schwert. Brill sprang zur Seite, Garion folgte ihm instinktiv mit dem Schwert. Dann, so schnell, daß Garions Augen kaum folgen konnten, schoß Brill zurück und schlug mit einer Hand heftig auf seinen Unterarm. Garions Schwert schlitterte über die eisigen Fliesen davon. Verzweifelt griff er nach seinem Dolch.
Dann tauchte ein weiterer Schatten in der Dunkelheit an dem Turm auf. Brill grunzte, als ein Fuß ihn kräftig in der Seite traf. Er fiel, rollte jedoch blitzschnell über den Boden und kam wieder auf die Füße. Breitbeinig stand er da, seine Hände bewegten sich langsam durch die Luft.
Silk ließ sein Murgogewand fallen, schob es mit dem Fuß aus dem Weg und spreizte ebenfalls die Hände.
Brill grinste. »Ich hätte wissen müssen, daß du irgendwo in der Nähe steckst, Kheldar.«
»Ich hätte wohl auch mit dir rechnen sollen, Kordoch«, antwortete Silk. »Du scheinst immer dann aufzutauchen, wenn man es am wenigsten vermutet.«
Brill stieß mit einer Hand nach Silks Gesicht, aber der kleine Mann wich ihm mühelos aus. »Wie schaffst du es, uns immer voraus zu sein?« fragte er, fast im Konversationston. »Diese Angewohnheit beginnt Belgarath zu irritieren.«
Sein Fuß zuckte nach Brills Leistengegend, doch der schielende Mann sprang gewandt zurück.
Brill lachte kurz auf. »Ihr seid zu weichherzig gegenüber euren Pferden. Auf der Jagd nach euch habe ich ein paar zu Tode geritten. Wie bist du aus diesem Loch herausgekommen?« fragte er interessiert. »Taur Urgas war am nächsten Morgen außer sich vor Wut.«
»Wie furchtbar.«
»Er hat den Wachen die Haut abziehen lassen.«
»Ein Murgo muß ohne seine Haut doch recht merkwürdig aussehen.«
Plötzlich sprang Brill mit ausgestreckten Händen vor, aber Silk wich zur Seite und ließ seine Handkante auf Brills Rücken niedersausen. Wieder grunzte Brill, rollte sich jedoch außer Reichweite. »Du könntest tatsächlich so gut sein, wie behauptet wird«, gestand er widerwillig.
»Probier’s doch aus, Kordoch«, lud Silk ihn mit einem bösen Grinsen ein. Er bewegte sich von der Turmmauer weg, seine Hände waren in ständiger Bewegung. Garion betrachtete mit klopfendem Herzen, wie die beiden einander umkreisten.
Wieder sprang Brill, diesmal mit den Füßen voran, doch Silk tauchte unter ihm weg. Noch als er auf die Füße kam, holte Silks Hand aus und traf Brill hoch am Kopf. Brill taumelte von dem Schlag, es gelang ihm jedoch, Silk gegen die Knie zu treten, als dieser zurücksprang. »Deine Technik ist defensiv, Kheldar«, knirschte er. Er schüttelte den Kopf, um die Wirkung des Schlags loszuwerden. »Das ist Schwäche.«
»Nur ein anderer Stil, Kordoch«, erwiderte Silk.
Brill versuchte, mit den Daumen Silks Augen zu treffen, aber Silk blockte
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