Spiel des Schicksals
anders.«
»Ich weiß«, erwiderte er sanft.
»Ich meine… Ich habe tatsächlich auf ihn eingestochen.« Wieder durchfuhr mich ein Schauer. Achmed legte seinen Arm um meine Schulter und zog mich zu sich heran.
»Du hast nur versucht, dein eigenes Leben zu retten«, beschwichtigte er mich. »Und ich fühle mich für das, was passiert ist, verantwortlich.«
»Es ist überhaupt nicht deine Schuld. Ich habe ja gewußt, worauf ich mich einließ. Und ich glaube, ich würde es wieder tun. Ich weiß nicht. Aber es gab keinen anderen Ausweg. Von Anfang an mußte ich mich mit der Gefahr auseinandersetzen. Heute abend war das nicht anders. Ich denke, Adele hätte dasselbe für mich getan.« Ich stieß einen Seufzer aus und schüttelte den Kopf. »Großer Gott! Ein Elfenbeinschakal gegen eine Pistole. Ich muß nicht bei Trost gewesen sein!«
»Aber es hat doch geklappt, oder nicht?«
»Ja… das hat es.« Ich sah im Geiste die Pistole, nur Zentimeter von meinem Herz entfernt, sah die fetten Finger, die sie hielten, und versuchte, meine Gedanken in genau diesem Augenblick nachzuvollziehen. Doch es gelang mir nicht, weil es keine gab. Ich hatte spontan gehandelt – ein Überlebensinstinkt hatte die Führung übernommen. »Und was, wenn ich nicht so schnell gewesen wäre?«
»Darüber sollst du nicht nachgrübeln.«
»Und wenn ich nicht zugestochen hätte, hätte er die Pistole vielleicht nicht losgelassen. Er hätte möglicherweise sofort die Fassung wiedererlangt und mich erschossen.« Ich nahm Achmed den Schakal aus der Hand und betrachtete ihn. »Sieht harmlos aus, nicht wahr? Und doch ist er die Ursache für ausnahmslos alles, was sich in diesen letzten… was, schon elf Tage? – ereignet hat. Er hat mich auf die andere Seite der Erde gebracht. Seinetwegen wurde ich fast umgebracht. Und er hat mir auch das Leben gerettet.«
Ich drehte ihn langsam zwischen meinen Fingern hin und her. Achmed hielt mich eng umschlungen. Dann dachte ich: Er hat auch mich verändert und ist dafür verantwortlich, daß ich jetzt hier sitze. »Zumindest«, meinte Achmed mit leiser Stimme, »haben wir erreicht, was wir wollten. Wir wissen jetzt, daß tatsächlich Paul Jelks hinter allem steckt, und ich kann morgen ganz offiziell zu seinem Camp hinausfahren.«
Ich hob den Kopf und blickte in seine Augen. Mein Herzschlag beschleunigte sich; nicht wegen meines Kampfes – denn der schien seltsamerweise plötzlich weit zurückzuliegen –, sondern wegen Achmeds Nähe, der Wärme seines Körpers an meinem, dem festen Griff, mit dem er mich an sich drückte. Als er sich hinunterbeugte und mich küßte, schien mir das ganz natürlich. Seine Lippen berührten meine wie der Flügelschlag eines Schmetterlings, gingen aber sofort zu etwas anderem über. Der Drang, der sich in seinem Kuß ausdrückte, erschreckte mich nicht, denn ich erwiderte ihn mit meinem eigenen Verlangen. In diesem leidenschaftlichen Moment schien es mir, als ob ich mein ganzes Leben nur dafür gelebt hatte.
Als er sich von mir wieder wegneigte und seine Umarmung lockerte, sah ich ein merkwürdiges Leuchten in seinen Augen, einen sonderbaren Ausdruck, der mit der Leidenschaft des Kusses nicht übereinstimmte. Dann sagte er in einem eigenartig distanzierten Ton: »Jetzt werden mich keine Zweifel mehr plagen, wenn ich an ihn herantrete. Ich werde ihm selbstbewußt entgegentreten, denn ich weiß, daß ich richtig liege. Ich muß Ihnen dafür danken, Miss Harris.«
»Ja, natürlich.«
Ich löste mich aus seinem Arm und erhob mich. Jetzt schwankte ich nicht mehr. Ich fühlte mich stark. Was mir eine Stunde zuvor widerfahren war, hätte ebensogut vor einem Jahr passiert sein können, so wenig war von seiner Wirkung zurückgeblieben. Nun beschäftigte mich etwas anderes… Ich ging ins Bad, wusch mir Hände und Gesicht und kam zurück ins Zimmer, wo ich mich auf dem Bett gegenüber von Achmed niederließ. Ich sah ihm direkt in die Augen. »Warum hast du mich gerade Miss Harris genannt?« Er starrte mich an und gab keine Antwort. »Vorher war ich Lydia.«
»Ja, ich weiß.« Seine Augen hielten meinem Blick weiterhin stand. Ich spürte, daß mein Herz wieder zu klopfen anfing, aber diesmal aus einem anderen Grund.
Wieder kam mir Dr. Kellerman in den Sinn, und ich dachte an die zärtliche, sanfte Zuneigung, die mich mit ihm verband. Es war eine Mischung aus Hingabe und Bedürfnis; es ging sehr tief und war schon lange Zeit dagewesen. Aber dieses andere – dieses glühende,
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