Spiel um Macht und Liebe (German Edition)
Die Halle war voller Leute, und sie wurde ständig angestoßen. Auf keinen Fall sollte er sich umdrehen und sie dort stehen sehen, wie sie offensichtlich auf seine Aufmerksamkeit wartete.
Wenn er Interesse hatte, wäre im Taxi schließlich Gelegenheit genug gewesen, sagte sie sich und kämpfte sich durch die Menge zu den Fahrstühlen.
Das Hotel war für ihren Geschmack eher zu teuer, doch sie hatte erst spät gebucht und kein billigeres Zimmer mehr bekommen. Doch die aufwendige Fassade beeindruckte sie nicht. Abfällig verzog sie das Gesicht, als sie ihre Zimmertür aufschloss. Das Hotel gehörte zu einer Kette, die sich immer mehr ausdehnte.
Die Luft in dem Zimmer war überhitzt und abgestanden, und die Fenster waren verschlossen, sodass sie den Zimmerservice anrufen musste, damit jemand kam, um sie für sie zu öffnen. Dabei dachte sie nicht so sehr an die Fenster, nicht einmal an den Kongress, sondern eher an den Mann, der mit ihr im Taxi hierher gefahren war.
Er hatte sich als Leo vorgestellt, aber wieso nur mit dem Vornamen? Es gab Hunderte von Kongressteilnehmern hier in Edinburgh, folglich standen die Chancen, ihm zufällig wiederzubegegnen, nicht sehr hoch, auch wenn sie im selben Hotel wohnten.
Christie hielt sich weder für leichtgläubig noch für unerfahren. Sie hatte schon vor langer Zeit beschlossen, dass sie sich nicht in die Frauenrolle pressen lassen würde, die ihr nur erlaubte, Sex zu genießen, wenn sie davon überzeugt war, verliebt zu sein. Das menschliche Bedürfnis nach Sex war ein Drang und ein Hunger, wie jeder andere auch. Man sollte es genießen, aber auch in gewisser Weise zügeln. Schließlich würde Christie auch nichts essen, auf das sie keinen Appetithatte, nur weil es gerade auf dem Tisch stand. Genauso dachte sie über Sex. Sie war wählerisch, aber dennoch konnte sie Sex als solchen genießen.
Sie wollte in ihrem Leben keine dauerhafte Bindung. Kein Mann sollte ihren Freiraum einengen, indem er selbstverständlich annahm, dass seine Bedürfnisse wichtiger als ihre waren. Er würde Anpassungen und Veränderungen ihrer Lebensweise verlangen, und vielleicht versuchte er sogar, ihre Gedanken und Gefühle zu verändern. Zu oft schon hatte Christie erlebt, wie Frauen sich Männern unterordneten, und das sollte ihr nicht passieren.
Saul hatte sie einmal darauf hingewiesen, dass sie doch offensichtlich keine Schwierigkeiten damit hatte, Cathys Bedürfnisse vor ihre eigenen zu stellen, aber Christie hatte ihn darauf hingewiesen, dass das etwas anderes sei. Cathy war ihr Kind und von ihr abhängig, und einen männlichen Partner als zweiten Abhängigen konnte sie in ihrem Leben nicht gebrauchen, weder seelisch noch körperlich.
Es war jetzt schon eine sehr lange Zeit her, dass ein Mann so eine körperliche Wirkung auf sie gehabt hatte. Es war wie eine unvermittelte, gierige Umklammerung, die sie so in seinen Bann zog, dass sie schon vor dem Ende der Taxifahrt gespürt hatte, wie seine Nähe sie körperlich erregte. Fast hätte sie abwehrend die Beine übereinanderschlagen.
Falls ich eine ähnliche Wirkung auf ihn habe, dann lässt er es sich nicht anmerken, hatte sie nüchtern festgestellt.
Dann hatte sie am offenen Fenster gestanden, und die frische, kühle Luft hatte sie erzittern lassen.
Der Hotelangestellte hatte sie bewundernd angesehen, als er gegangen war. Christie hatte den Blick nur kühl erwidert. Es verärgerte sie immer wieder, dass Männer ihre sexuellen Wünsche immer so offen zeigten, ohne darüber nachzudenken, ob sie die Frauen damit belästigten oder nicht.
Während sie jetzt die Zuhörerschaft musterte, sagte sie sich, dass sie sich kindisch benahm, indem sie nach einem bestimmten Mann suchte. Wenn er sie hätte sehen wollen, hätte er das in der Empfangshalle tun können. Es war unwahrscheinlich, dass sie sich sonst irgendwo über den Weg liefen.
Noch zwei Redner standen an diesem Nachmittag auf der Liste.
Erst morgen kam der große Tag mit den Reden der Chemiebosse. Dazu gehörte auch ein großer internationaler Konzern, der vor nicht einmal fünf Jahren gerade noch einem Skandal entgangen war, indem er große Summen an Schadenersatz gezahlt hatte, damit der Fall nicht vor den Gerichten landete.
Eine von Christies Patientinnen war ein Opfer dieses speziellen Medikaments geworden. Als Nebenwirkung hatte sie starke Schmerzen und Lähmungserscheinungen in einem Arm bekommen. Sie war über die Wiedergutmachung überglücklich gewesen, weil sie, wie sie Christie
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