Spion Für Deutschland
gestanden, was ich für immer, was ich endgültig verloren hatte. Was mir endgültig versagt bleiben sollte.
Für meine Verteidigung war Joan ein wichtiger psychologischer Punkt. Aber was wußte meine Verteidigung von Joan und mir . . .
Die Verhandlung ging weiter. Endlos. Zähe. Ich folgte ihr apathisch. Zeuge um Zeuge kam, sagte aus, schwor und ging. Zu einer militärischen Delikatesse für al e, die ihr Genuß abgewinnen konnten, wurde der Aufmarsch der Offiziere der amerikanischen Küstenverteidigung. Das Gericht ging mit ihnen hart ins Gericht. Zeugen, blaß wie Angeklagte, kamen in den Saal. Jede Unachtsamkeit, jede Fahrlässigkeit wurde mit schärfsten Worten gegeißelt. Meine Richter waren ja alle Militärs und kannten sich in Verteidigungsfragen genau aus.
Als der fünfzehnjährige Pfadfinder Johnny S. Mil er in den Zeugenstand trat, steuerte das blamable Schauspiel seinem Höhepunkt zu. Der Junge, ein aufgeweckter Bursche, der weit älter wirkte, als er war, schilderte, wie er unsere Fußspuren entdeckt und vergeblich versucht hatte, die amerikanische Abwehr auf sie aufmerksam zu machen. Vielleicht schien es mir nur so, aber ich hatte den Eindruck, als ob Anklage und Vorsitzender die Vernehmung Millers besonders ausführlich gestalteten. Abschließend sagte Colonel Harrold:
»Du hast Mut und Umsicht bewiesen, mein Junge. Ich glaube, ich habe dir hier als Vertreter des amerikanischen Volkes dafür zu danken. Jedenfal s hast du an diesem Tag mehr Verantwortung bewiesen als mancher Mann und auch
mancher Offizier, der eigens beauftragt war, sein Vaterland zu bewachen.«
Die Beweisaufnahme ging zu Ende. Sechs Tage lang hatte ein Tauziehen zwischen Anklage und Verteidigung stattgefunden. Daß sich das Tau nach der Anklageseite hin bewegte, war selbstverständlich. Es würde zum Strick für mich werden . . .
Am siebenten Tag traten wir in die Plädoyers ein. Die brachten natürlich nichts Neues. Aber Major Carry, der Ankläger, der sich zu Beginn der Verhandlung so entschieden weigerte, in meiner und in Billys Handlungsweise Unterschiede zu erkennen und zu werten, änderte plötzlich in feiner Witterung für den Effekt seine Taktik. Spott und Hohn und die ständige Anklage fielen von ihm ab. Er wurde ritterlich. Er wußte, er hatte mich zur Strecke gebracht. Er hielt es für unwürdig und unnötig, auf meiner Leiche herumzutrampeln.
Zuletzt ergriff der Generalstaatsanwalt, der zunächst nur als Beobachter fungiert hatte, Mr. Tom C. Clark, das Wort:
»Über den Angeklagten Gimpel habe ich nicht viel zu sagen. Er stand vor uns und sagte, daß er nichts zu sagen hätte. Ich bin sicher, daß er wußte, was ihn erwartete, als er seine Heimat verließ. Er wird sein Verhalten beurteilen wie der amerikanische Freiheitsheld Nathan Haie, der vor seiner Hinrichtung sagte: >Ich bedauere, daß ich nur ein Leben habe, das ich für mein Land opfern kann.< Anders verhält sich der Fall bei Colepough, einem Betrüger, einem Lügner und einem Verräter. Zuerst hat er sein Land verraten, dann hat er Deutschland verraten und dann hat er seinen Kameraden Gimpel verraten. Es gibt nur eine Antwort darauf: den Strick.«
Das Gericht zog sich zur Beratung zurück. Noch einmal vergingen 48 Stunden.
Dann führte man mich wieder in den Saal. Die Anwesenden wußten, was
kommen würde.
Die Gerichtskommission kam in den Saal. Wir standen auf. Der Vorsitzende rief mich. Ich trat an den Richtertisch.
»Angeklagter Gimpel, als Vorsitzender dieser Kommission habe ich die Pflicht, Ihnen das Urteil bekanntzugeben, das über Sie gefällt wurde. Sie wurden in al en Punkten für schuldig befunden . . .
Der Richter stand auf. Er sah mich nicht an, als er die Worte sprach, die ich niemals vergessen werde:
»To be hanged by the neck until dead.«
Wörtlich übersetzt heißt das: »Du sollst am Genick hängen, bis du tot bist.«
In vier Tagen wird mir der Strick um den Hals gelegt werden. Mit dreizehn Knoten, wie es das düstere Reglement des Henkers verlangt. Ich hatte noch 96
Stunden Zeit zu denken und zu atmen. Dann war es vorbei mit dem Grauen in der Nacht, mit dem Warten in der Zel e, mit dem Würgen in der Kehle. Ich raste wie ein Besessener in meiner Drahtzelle von Fort
Jay hin und her. Die Stunden, die Minuten legten sich bleischwer auf mich, hämmerten auf mich ein, liefen rasend davon und blieben dann plötzlich wieder stehen, zogen sich in die Länge, sekundierten meiner Todesangst.
Meine Stirn glänzte schweißnaß. Meine
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