Spürst du den Todeshauch: Thriller (German Edition)
geschrieben. »Meine anmutige Margaret Monica, mein kleiner Skippy, es tut mir leid. Ich liebe euch über alles, aber ich schaff das mit dem Leben einfach nicht. Alles Geld auf dem Sparkonto ist für euch beide. Aber gebt es bitte nicht für die Suche nach mir aus.«
Er hatte den Zettel nicht unterschrieben. Aber er nahm seine stets polierten Orden aus dem Küchenschrank und legte sie auf dem Tisch aus. Dann erinnerte er sich an das gerahmte Bild von sich und Peggy und Skippy und steckte es zu den zwei Weinflaschen in seinem Rucksack.
Er vergewisserte sich, die Eingangstür zu ihrem kleinen Haus auf Staten Island abzusperren, und machte sich auf seinen vierzigjährigen Marsch ins Nichts …
Mittlerweile war er achtundsechzig, fast vollständig kahl, er hinkte etwas, nachdem er sich bei einem Sturz auf einer U-Bahn-Treppe die Hüfte gebrochen hatte, sein Gesicht war unrasiert, es sei denn, er fand in einem Mülleimer zufällig einen gebrauchten Rasierer. Clyde führte sein einsames Leben.
Tagsüber bettelte er auf der Straße, wodurch er gerade so viel einnahm, um seinen Alkoholpegel zu halten. Zunächst war er nach Philadelphia gegangen, hatte dort einige Jahre sein Dasein gefristet und für ein Taschengeld sogar ein paar Aushilfsjobs angenommen. Nachdem die Penner, mit denen er sich nachts verkroch, ihn mehr und mehr als einen der Ihren ansahen und ihn in ihren Kreis aufnehmen wollten, wurde er unruhig. Er zog weiter nach Baltimore, wo er ebenfalls einige Jahre blieb. Schließlich verspürte er den Drang, nach New York zurückzukehren. Mittlerweile waren einige Jahrzehnte vergangen.
Nach seiner Rückkehr streifte er durch die fünf Stadtbezirke, hatte aber einige Anlaufstellen, die er in regelmäßigen Abständen aufsuchte. Dazu gehörte die Essensausgabe der Kirche des heiligen Franziskus von Assisi, auch andere Obdachlosenunterkünfte in verschiedenen Stadtteilen wurden von ihm frequentiert. Nur Staten Island mied er, obwohl er davon ausging, dass Peggy mit Skippy längst nach Florida zu ihren Eltern gezogen war.
Trost fand Clyde im billigen Wein, der seine Schmerzen linderte und seinen alternden Körper wärmte, wenn er die kalten Nächte im Freien verbrachte. Er legte keinen Wert auf die Obhut der Freiwilligenorganisationen, die ihn vor den böigen Winterwinden schützen wollten. Wenn es darum ging, auf Friedhöfen oder in leer stehenden Gebäuden Unterschlupf zu suchen, war er immer sehr erfindungsreich gewesen, ganz gleich in welcher Stadt. Jetzt suchte er Schutz in verlassenen U-Bahn-Stationen oder zwischen den Autos auf Parkplätzen, wenn die Parkplatzwächter für die Nacht abgeschlossen hatten.
Im Lauf der Jahre war er immer reizbarer geworden. In Philadelphia hatte er einem Polizisten, der ihn zwangsweise in eine Obdachlosenunterkunft verfrachten wollte, einmal fast einen Faustschlag verpasst. Er hatte gerade noch zurückziehen können und sich schließlich bereit erklärt, in die Unterkunft mitzugehen. Aber so was wollte er in Zukunft auf keinen Fall noch mal erleben. Dort waren zu viele Leute. Die ihm zu viel redeten.
Clydes neues Leben begann vor gut zwei Jahren auf dem Connelly-Gelände. Er war mit seinem Einkaufswagen in der U-Bahn zwischen den Endhaltestellen hin- und hergefahren, irgendwann wachte er auf, und bei der nächsten Station stieg er aus. Long Island City. Vage erinnerte er sich, schon mal hier gewesen zu sein, er erinnerte sich an die alten Lagerhäuser, von denen manche leer standen, andere renoviert wurden. Sein Orientierungssinn, einer der wenigen Sinne, auf die er sich noch verlassen konnte, brachte ihn mitsamt Einkaufswagen in die Gegend, bis er zufällig vor dem Connelly-Gelände stand, dem herausgeputzten Juwel inmitten schäbig-schmuddeliger Nachbarn.
Die wenigen Lichter, die er sah, beleuchteten die Anfahrt zu den Gebäuden. Vorsichtig ging Clyde um das Gelände herum und achtete darauf, nicht von den Überwachungskameras erfasst zu werden. Von den Gebäuden hielt er sich fern. Schließlich musste man immer mit einem dösenden Wachmann rechnen. Auf der Rückseite des Geländes, hinter einer Fläche, die tagsüber wohl als Mitarbeiterparkplatz diente, stieß er auf einen weitläufig umzäunten und überdachten Bereich, der ihn an den Einstellplatz seines Hauses auf Staten Island erinnerte. Nur war er größer. Sehr viel größer.
Er zählte die dort abgestellten Lastwagen. Drei waren so groß, dass man damit locker alles transportieren konnte, was man besaß. Zwei waren
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